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Unter dem Verschluss einer Netzhautvene versteht man einen teilweisen oder kompletten Verschluss in einer Vene der Netzhaut (Retina).
Venen sind Gefäße, in denen das Blut aus dem Gewebe zum Herzen zurück transportiert wird. Das Blut staut sich vor einer krankhaft entstandenen Engstelle, es kommt zu einer Thrombose. Das wiederum führt zu Folgeerscheinungen, die das Sehen verschlechtern können. Die betroffenen Gefäße erweitern sich durch den Blutstau, die Gefäßwände werden undicht und es können Blutbestandteile aus den Gefäßen in die Netzhaut übertreten, die Ihr Augenarzt besonders beim frischen Verschluss als Blutungen feststellen kann. Das ausgetretene Gefäßwasser bildet eine flüssigkeitsbedingte Schwellung (Ödem), die vor allem dann bemerkt wird, wenn der gelbe Fleck, die sogenannte Makula betroffen ist.
Abb. 1
Normalbefund
Der weitere Verlauf ist nicht sicher vorherzusagen. Bei manchen Patienten erholt sich die Sehschärfe ohne Behandlung, da sich Gefäße in der direkten Nachbarschaft der verschlossenen Vene erweitern und vermehrt Blut zum Herzen transportieren oder sich die Durchblutung wieder bessert.
Bei vielen unbehandelten Patienten bleibt aber eine zentrale Wassereinlagerung und damit eine verminderte Sehschärfe zurück. In einigen Fällen bildet das Auge auch neue Gefäße, um den Sauerstoffmangel, der sich aus dem Verschluss ergeben kann, wieder auszugleichen.
Diese neuen Gefäße (Proliferationen) haben eine verminderte Qualität und können Blutungen im Auge oder eine Netzhautablösung verursachen, in seltenen Fällen sogar den Abflussweg im Auge verstopfen und so zu einem starken Anstieg des Augeninnendrucks führen. Sie können auch Monate und Jahre nach dem Verschluss auftreten und in frühen Stadien gut behandelt werden. Daher sind langfristig regelmäßige augenärztliche Kontrollen notwendig.
Ihr Augenarzt unterscheidet den Venenverschluss vor allem nach dessen Ausdehnung in der Netzhaut. Ist die komplette Netzhaut betroffen, handelt es sich um einen Verschluss der Zentralvene (Zentralvenenverschluss). Ist eine Hälfte der Netzhaut betroffen, spricht man von einem Hemi-Zentralvenenverschluss, wenn nur ein Sektor betroffen ist, der von einer kleinen Netzhautvene versorgt wird, spricht man von einem Venenastverschluss.
Außerdem wird ein sauerstoffreicher und ein sauerstoffarmer Verschlusstyp unterschieden. Diese Unterteilung ist schwieriger zu treffen. In der Regel muss man hierzu zusätzliche Untersuchungen durchführen. Ein sauerstoffreicher Verschluss kann aber auch im Laufe der Erkrankung in einen sauerstoffarmen übergehen, man spricht von einem ischämischen Verschluss. Bei einem sauerstoffarmen Verschluss sind die Aussichten auf Besserung der Sehkraft geringer. In diesen Fällen muss das betroffene Auge häufiger kontrolliert und intensiver behandelt werden.
Abb. 2
Zentralvenenverschluss
Bei Patienten mit Gefäßverschlüssen am Auge bestehen häufig die gleichen Risikofaktoren, wie sie auch bei Gefäßverschlüssen in anderen Regionen des Körpers z.B. am Herz und im Gehirn zu finden sind. Feingewebliche Untersuchungen der Augengefäße zeigen gerade bei älteren Patienten ähnliche Gefäßveränderungen wie sie bei Herz- und Kreislaufpatienten zu finden sind (Arteriosklerose). Deshalb gelten die allgemeinen Maßnahmen für Patienten mit einer Herz- und Kreislauferkrankung auch für Patienten mit Gefäßverschluss am Auge.
Erkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko einhergehen, sind vor allem: Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Bluthochdruck und zu hohe Blutfette (Cholesterin und Triglyzeride). Als weitere Risikofaktoren sind das Rauchen (Nikotin), Übergewicht, Bewegungsmangel und eine zu geringe Zufuhr von Flüssigkeit zu nennen.
Es gibt für einen Augenvenenverschluss aber auch Risikofaktoren im Auge selbst. Dazu gehört vor allem der erhöhte Augeninnendruck (okuläre Hypertension) oder das nicht gut eingestellte Glaukom.
In seltenen Fällen ist eine Gerinnungsstörung für einen Venenverschluss der Netzhaut verantwortlich. Diese Möglichkeit sollte bei jungen Patienten mit Venenverschluss der Netzhaut berücksichtigt und abgeklärt werden.
Abb. 3
Venenastverschluss
Ein Verschluss einer Netzhautvene macht sich meist nur dann unmittelbar bemerkbar, wenn die Netzhautmitte (Makula) durch die Wassereinlagerung betroffen ist.
Es kommt zu einer Sehverschlechterung (Schleiersehen), die typischerweise morgens stärker ausgeprägt ist als abends. Das liegt daran, dass das Gefäßwasser während der Nacht durch das flache Liegen etwas weniger aus dem Kopfbereich abtransportiert werden kann und sich in der Netzhaut staut. Es kann deshalb bei frischen Verschlüssen sinnvoll sein, den Kopf nachts etwas höher zu lagern (siehe Kapitel 5). Bei Venenastverschlüssen wird häufig ein schlechteres Sehen nur in einem Teil des Gesichtsfeldes z.B. in der unteren oder oberen Hälfte bemerkt.
Es ist wichtig zu wissen, dass je nach Befund mehrere Behandlungen kombiniert werden können.
Medikamenteneingabe in den Glaskörperraum:
Ein wesentlicher Faktor bei einem Venenverschluss der Netzhaut ist der Botenstoff VEGF („vascular endothelial growth factor“). Dessen überschießende Bildung führt bei der Venenthrombose zu einem krankhaften Gefäßwachstum und zu einer Schwellung der Netzhautmitte. Daher wurden gezielte Hemmstoffe gegen diesen Wachstumsfaktor entwickelt. Diese VEGF-Inhibitoren werden unter sterilen Bedingungen mit einer feinen Nadel in das Augeninnere in den Glaskörper injiziert. Auch ein in den Glaskörper eingebrachtes Kortison-Implantat kann durch Abschwellen der Netzhautmitte einen positiven Effekt auf den Verlauf eines Venenverschlusses haben. Da diese Medikamente nur eine bestimmte Zeit wirken, sind bei vielen Betroffenen wiederholte Medikamenteneingaben erforderlich. Bei Verschlüssen ohne Makulaödem soll keine Medikamenteneingabe erfolgen, denn diese würde nicht zur Verbesserung der Sehschärfe führen. Eine sehr gute und wenig belastende Untersuchung, ob und in welchem Ausmaß ein Makulaödem und Schädigungen an den verschiedenen Netzhautschichten vorliegen, stellt die optische Cohärenztomografie (OCT) dar, mit der man auch den Erfolg einer Medikamenteneingabe in den Glaskörper gut quantifizieren kann.
Laserbehandlung:
Die Behandlung der betroffenen Netzhaut mit dem Laser kann bei zwei Befunden empfohlen werden:
(1) Beim Venenastverschluss kann als Ergänzung zur Medikamenteneingabe in den Glaskörperraum die zarte Laserung nahe der Netzhautmitte zur Sehverbesserung sinnvoll sein, wenn es trotz Medikamenteneingabe immer wieder zur Makulaschwellung kommt. Beim Zentralvenenverschluss ist diese Art der Laserung nicht sinnvoll.
(2) Wenn der Venenverschluss besonders stark ausgeprägt ist, kann es zu einer Sauerstoffarmut in den weiter außen liegenden Bereichen der Netzhaut kommen. Dann bildet die Netzhaut ein Eiweiß, das die Bildung neuer Blutgefäße anregt. Diese Gefäße helfen der Netzhautdurchblutung nicht, können aber bluten und das Sehen verschlechtern. Dieser Gefäß-Wachstumsfaktor kann bei der Zentralvenenthrombose auch über die Bildung von neuen Gefäßen in der Regenbogenhaut (Iris) zu einer besonderen Form des Grünen Stars (Glaukom) führen. Wie stark die Sauerstoffarmut ausgeprägt ist, kann man am besten mit einer Fluoreszeinangiografie feststellen. Bei dieser Untersuchungsmethode wird ein Farbstoff in eine Vene gespritzt, anschließend werden Fotografien der Netzhaut gemacht, die durch die Farbstoffanfärbung den Zustand der Venen und der Netzhaut erkennen lassen. Bei einer größeren Sauerstoffarmut in der Netzhaut kann es erforderlich sein, dass diese mangeldurchbluteten Bereiche mit Ausnahme der für das Scharfsehen notwendigen Netzhautmitte mit Laserstrahlen verödet werden.
Nach der Laserbehandlung brauchen die behandelten Bereiche nur noch sehr wenig Sauerstoff. Dadurch wird das Missverhältnis aus Sauerstoffbedarf der Netzhaut und zu geringem Sauerstoffangebot wieder ins Gleichgewicht gesetzt und der die Gefäßneubildung anregende Faktor wird nicht mehr gebildet. Es sind in der Regel mehrere Laserbehandlungen erforderlich. Die Sehschärfe verbessert sich durch diese Therapie nicht, hilft aber schlimmere Folgereaktionen durch größere schlecht durchblutete Netzhautbereiche zu vermeiden.
Insgesamt ist bei entsprechendem Befund die Behandlung mit der operativen Medikamenteneingabe oder mit dem Laser zwar beschwerlich, aber hoch-effektiv und sollte allen Betroffenen angeboten werden. Mit konsequenter Behandlung kann in vielen Fällen das Sehen deutlich verbessert und erhalten werden.
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