Pressemitteilung
Medizin/Gesundheit/Augenheilkunde

AAD Pressekonferenz 2007

Friedburg, Kampik:

Dem Auge mehr Aufmerksamkeit widmen – wachsende Erblindungsgefahr mit steigender Lebenserwartung

Selbst hinter einer geringfügigen Sehverschlechterung kann sich eine schwere Augenkrankheit verbergen, die unbehandelt in die Blindheit führt.

Wir werden älter und fühlen uns jünger, weil wir unser Alter durch die voraussichtlich noch vor uns liegenden Lebensjahre definieren: Differenz zum biologischen Alter heute etwa zehn Jahre. Die Kehrseite der Medaille: Indem wir älter werden als unsere Vorfahren, bekommen wir Krankheiten, die früher so gut wie unbekannt waren, weil die Menschen starben, bevor sich die Folgen langsam degenerierender Zellen der Netzhaut oder des Sehnervs bemerkbar machen konnten. Statistisch gesehen führt die demografische Entwicklung dazu, dass immer mehr Menschen das Endstadium dieser mit dem Älterwerden verbundenen Augenkrankheiten erleben. So würde innerhalb der nächsten 25 Jahre die Zahl der blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen in Deutschland um 30 Prozent zunehmen, wenn die schleichende Vernichtung ihres Sehvermögens nicht frühzeitig entdeckt und aufgehalten würde. Die moderne Augenheilkunde ist dafür gewappnet: Eine ganze Reihe neuer diagnostischer Verfahren ermöglichen dem Augenarzt, bereits früh erste Krankheitszeichen zu erkennen. Parallel hierzu wurden neue Therapieverfahren entwickelt. Die Behandlung kann somit einsetzen, wenn sie noch Erfolg verspricht, und es gibt Behandlungsverfahren für früher nicht behandelbare Erkrankungen. Allerdings werden die Kosten für die Anwendung einiger dieser innovativen Diagnose- und Behandlungs-Methoden noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) kann sie jedoch jeder Patient in Anspruch nehmen. Heute darf es nicht mehr damit getan sein, nachlassende Sehkraft nur durch Sehhilfen kompensieren zu wollen. Nachlassende Sehkraft ist zu allererst als Signal zur Verhütung von Blindheit zu sehen und führt zum Augenarzt und seinen Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten.

Schicksalhafte Entscheidungen für das Sehvermögen
Beispiele aus der Praxis zeigen: Jede Sehverschlechterung erfordert eine Diagnose


Sehzellensterben hinter der Maske einer banalen Alterssichtigkeit
Günther M., 73, wäre in einem Jahr nicht mehr in der Lage, Gesichter zu erkennen, hätte er nur eine neue Lesebrille gekauft, weil er nicht mehr richtig lesen kann. Zu seinem Glück entschloss er sich, zum Augenarzt zu gehen.
Die Sehprüfung ergibt, dass auch mit optimalen Brillengläsern keine gute Sehschärfe zu erreichen wäre. Schon die Beschreibung des Patienten deutet darauf hin, dass die Probleme "tiefer liegen", etwa in der Netzhaut im Bereich der Makula oder des Sehnervs. Trotzdem muss immer auch ein Fehler an der Optik des Auges ausgeschlossen werden. Bei der Untersuchung von Hornhaut und Linse läuft vor dem "geistigen Auge" des Augenarztes blitzschnell eine "Diashow" ab mit zigtausend Bildern des vorderen Augenabschnitts gesunder und kranker Augen, die er im "Befund- und Bildarchiv" seines Gehirns gespeichert hat. Bei diesem Vergleich wird klar: Die minimal getrübte Linse dieses Patienten kann nicht die Ursache seiner Schwierigkeiten beim Lesen sein.
Im nächsten Schritt der Diagnose stehen Netzhaut und Sehnerv im Fokus. Während der Sehnerv eindeutig der Gruppe der normalen Befunde zugeordnet werden kann, zeigen sich dem Diagnoseblick des Augenarztes alarmierende Abweichungen in der Netzhaut, und zwar im Bereich der Makula, der Stelle des schärfsten Sehens. Jetzt ist der Netzhautspezialist gefragt, dem auch die zur endgültigen Klärung des Befundes erforderlichen modernen Diagnosegeräte zur Verfügung stehen. Günther M. bekommt eine Überweisung zur Angiografie. Ein in die Vene injiziertes Kontrastmittel macht eine krankhafte Gefäßneubildung in der Netzhaut sichtbar, die mit einer Spezialkamera gewonnene Fotoserie bestätigt den Verdacht: altersabhängige Makuladegeneration (AMD), eine Augenkrankheit, durch die bis vor kurzem viele Menschen ihre zentrale Sehschärfe verloren und die in Günther M.s Alter ziemlich häufig auftritt. Bis vor kurzem galt sie als nahezu unbehandelbar, jetzt kann der Augenarzt helfen: mit einer speziellen Laserbehandlung (Photodynamische Therapie) oder ganz neuen Wirkstoffen, die ins Auge injiziert werden, oder einer Kombination aus beiden Methoden. Fazit: Auch Erblindung durch die altersabhängige Makuladegeneration und ähnliche Netzhautkrankheiten ist heute meist vermeidbar – vorausgesetzt jede Sehverschlechterung führt rechtzeitig zum Augenarzt.

Im Zweifelsfall: Hightech-Diagnostik,
aber am Anfang steht ein Verdacht

Frau H, 63 Jahre alt, leidet, ohne es zu bemerken, am Glaukom, einer Augenkrankheit, die den Sehnerv zerstört. Ohne rechtzeitige Behandlung wäre sie im Endstadium blind.
Zum Glück hat sie ihre "alte" Brille verloren und geht zu dem Augenarzt, der sie ihr vor Jahren verschrieben hatte. Mit den Probegläsern, die er für sie bei der Sehschärfenbestimmung ermittelt, sieht sie ausgezeichnet. Trotzdem möchte sie die Gelegenheit für eine Vorsorgeuntersuchung nutzen, da sie weiß, dass beschwerdefrei sehen noch nicht bedeutet, dass ihre Augen gesund sind. Wie sich herausstellt, lieg ihr Augeninnendruck zwar im Normbereich, aber beim Sehnerv-Check stimmt das Bild ihres Sehnervs nicht mit denen überein, die im "Befund- und Bildarchiv" des Gehirns ihres Augenarztes unter "unversehrt" gespeichert sind. So entsteht ein Verdacht, der unbedingt aufgeklärt werden muss, um die empfindlichen Sehnervzellen vor dem Untergang zu bewahren. Da die zunächst einmalige Augeninnendruckmessung einen Normalwert ergab, wird sie zu verschiedenen Tageszeiten wiederholt, denn in aller Regel schwankt der Augeninnendruck und es kommt darauf an, seinen höchsten Wert zu ermitteln. Aber selbst der gilt als "normal" und auch die Ergebnisse der Gesichtsfeldmessung geben keinen Hinweis auf ein Glaukom. Bleibt nur die verdächtige Veränderung am Sehnerv, über die die Messung der Nervenfaserschichtdicke Aufschluss geben kann. Sie erfolgt mithilfe aufwendiger Verfahren der Computer- und Lasertechnik, wie OCT (Optische Kohärenz-Tomografie) oder HRT (Heidelberger Retina Tomograf). Diese apparative Hightech-Ausrüstung ist natürlich nicht in jeder augenärztlichen Praxis zu finden, aber sie steht jedem Augenarzt zur Verfügung – er hat sozusagen einen verlängerten Arm zu den Geräten, indem er seine Patienten zur weiteren Untersuchung überweist.

Bei Frau H. ergab die Untersuchung: Sie hat ein chronisches Weitwinkelglaukom, dem das in der Öffentlichkeit bekannteste Symptom fehlt: der erhöhte Augeninnendruck. Diese nicht seltene Form bezeichnet die Augenheilkunde als "Niederdruckglaukom". Dem rechtzeitigen Sehnerv-Check beim Augenarzt, der dann zur Hightech-Untersuchung führte, verdankt sie, dass sie bei entsprechender medikamentöser Therapie und regelmäßigen augenärztlichen Kontrolluntersuchungen keine Seheinbußen zu befürchten hat.

Verzögert wäre zu spät gewesen.
Lukas K. ist bildender Künstler. Seit seinem 66. Geburtstag vor wenigen Tagen bemerkt er ganz seltsame Sehstörungen: Die Mitte jedes Bildes ist verzerrt – aber nur, wenn er es mit seinem rechten Auge fixiert. Die Untersuchung beim Augenarzt ergibt eine etwas herabgesetzte Sehschärfe, die Optik des Auges ist in Ordnung. Die Makula zeigt nicht ganz eindeutige Veränderungen, die entweder auf AMD (altersabhängige Makuladegeneration) oder den Beginn eines Makulaloches hinweisen. Vor allem der zweite Verdacht erfordert schnellstmögliche Klärung. Mit Eilüberweisung kommt Lukas K. in die nächste Augenklinik. Wieder ist Hightech-Diagnostik gefragt: Computer- und Lasertechnologie ermöglichen die Darstellung eines stark vergrößerten Bildes der Netzhautmitte wie in einem Mikroskop-Schnitt.
Auch der angrenzende Glaskörper wird auf diese Weise "unter die Lupe genommen".
Ergebnis: keine AMD, aber ein Makulaloch bei noch recht guter Sehschärfe. In aller gebotenen Eile erfolgt die Operation. Sie verläuft erfolgreich, das Makulaloch ist verschlossen und der Künstler mit seiner Sehleistung wieder sehr zufrieden.

Verschenkte Chance:
bei Sehverschlechterung Diagnoseverzicht


Schlechtes Sehen kann zwar auch allein darauf beruhen, dass die Brille "nicht stimmt". Aber durch den Kauf einer neuen Brille Abhilfe zu schaffen, ist ein verhängnisvoller Entschluss, wenn dadurch der Zeitpunkt verpasst wird, eine der zur Erblindung führenden Augenkrankheiten rechtzeitig zu behandeln. Damit die Augen ihre Funktion lebenslänglich behalten, sollte bei Veränderungen der Sehleistung immer der Augenarzt konsultiert werden. Beim seinem "Check" der Befunde – Vergleich des Patientenbefundes mit seinem "Befund- und Bildarchiv" im Gehirn – werden möglicherweise Erkrankungen erkannt, die das Sehen noch nicht beeinträchtigen, die es aber im Laufe der Zeit gefährden. Zur Klärung eines Verdachts stehen heute Diagnoseverfahren zur Verfügung, mit denen auch kleinste Veränderungen im frühesten Stadium aufgedeckt werden. Gleichzeitig wurden und werden weiterhin innerhalb kürzester Zeiträume Therapien gegen Augenkrankheiten entwickelt, deren Verlauf "gestern" noch unaufhaltsam zum Verlust des Sehvermögens führte.

Hightech-Diagnostik kommt immer dann zum Einsatz, wenn ein klinischer Verdacht weiter abgeklärt werden muss. Sie erweitert die Erkenntnismöglichkeit der Ärzte und ermöglicht es ihnen, eine Verdachts-Diagnose und auch die Behandlungsmöglichkeiten zu präzisieren. Zur effektiven Nutzung der modernen, sehr teuren Diagnose-Apparate sind mittlerweile niedergelassene Augenärzte mit spezialisierten Praxen oder Augenkliniken vernetzt, sodass jeder Augenarzt indirekt Zugriff auf alle technischen Möglichkeiten hat. Und er ist auch durch seine regelmäßige Teilnahme an den augenärztlichen Fortbildungskongressen mit allen neuen Diagnose- und Therapieverfahren vertraut.

Professor Dr. Dieter Friedburg
Carl-Schurz-Straße 9
47803 Krefeld
Tel. + Fax 02151-753964
profdrdieter.friedburg@nexgo.de

Professor Dr. Anselm Kampik
Direktor der Augenklinik
der LMU
Mathildenstr. 8
80336 München
Tel. 089-5160-3800
Fax 089-5160-4778




Abbildungen zum Beitrag

Abb. 1

Abbildung 1: Netzhautveränderungen bei altersbedingter Makuladegeneration in der Fluoreszenz-Angiografie

Abb. 2

Abbildung 2: Nervenfaserschichtdicke gemessen mit der optischen Kohärenztomographie (OCT).
So lassen auch geringe Veränderungen, beispielsweise bei Glaukom, nachweisen.


Abb. 3

Abbildung 3: Makulaloch mit angehobenen Rädern.


Herausgeber:
Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA)
als Geschäftsbesorger der AAD GbR
Tersteegenstr. 12, 40474 Düsseldorf

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Pressereferat: Herr D. Pleger
Tersteegenstr. 12, 40474 Düsseldorf
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