Pressemitteilung
Medizin/Gesundheit/Augenheiunde

AAD Pressekonferenz 2005

Busse:

Was sind gesunde Augen wert? Über Nutzen und Kosten der medikamentösen Therapie in der Augenheilkunde

Besonders die das Sehvermögen bedrohenden Augenkrankheiten, wie Glaukom, AMD und diabetische Retinopathie nehmen in starkem Maße zu und verlangen als chronische Krankheiten dauerhafte medikamentöse Therapie. Gleichzeitig war und ist die Entwicklung neuer Wirkstoffe erforderlich, um die Erblindung im fortgeschrittenen Stadium dieser Augenkrankheiten zu verhindern. Aus der Vielzahl der Medikamente, die der Augenarzt verschreibt, werden weitere Beispiele angesprochen, wie Tränenersatzmittel, Kortison und Botox. Trotz wachsender Bedeutung der Ophthalmika beträgt ihr Anteil an den Gesamtkosten des Arzneimittelangebots nur 1,5 Prozent.

Augenmedikamente (Ophthalmika) gewinnen angesichts der steigenden Lebenserwartung zunehmend an Bedeutung. Die innovativen Präparate können heute in vielen Fällen sogar eine Operation ersetzen und der Erfolg chirurgischer Eingriffe wird durch sie erst möglich. Dennoch ist ihr Anteil am gesamten Arzneimittelangebot und ebenso an den Gesamtkosten äußerst gering. An denen sind die Medikamente für den edelsten Sinn des Menschen gerade mal mit 1,5 Prozent beteiligt.

In der Roten Liste, der größten Übersicht über medizinische Präparate in Deutschland, die über 88.000 Einzeltherapeutika enthält, reichen die Ophthalmika von Ziffer 67.001 bis 67.321. Als Darreichungsform überwiegen Augentropfen mit unterschiedlichem Wirkungsspektrum, gefolgt von Augensalben und Augengelen, einem Kompromiss zwischen Tropfen und Salben. Interna, das sind Präparate, die systemisch über den Gesamtorganismus eingesetzt werden, stellen lediglich einen verschwindend geringen Prozentsatz dar. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie weniger wichtig sind. Es ist davon auszugehen, dass ihnen vor allem bei proliferativen Erkrankungen, das sind Krankheiten, bei denen Gefäßwucherungen in der Netzhaut auftreten, eine immer größere Bedeutung zukommen wird. Zu diesen Krankheiten gehören die diabetische Retinopathie, eine Folge des Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), der Volkskrankheit Nummer 1, und ebenfalls die altersabhängige Makuladegeneration (AMD). Sie gilt als häufigste Erblindungsursache in Deutschland und anderen Industrienationen.

Laut "Arzneiverordnungs-Report 2004“ umfasste der Gesamtmarkt GKV-Rezepte mit Fertigarzneimitteln im Jahr 2003 insgesamt 24,1 Milliarden Euro. Auf die nicht allein von Augenärzten verordneten Ophthalmika (ohne Interna) fällt die Summe von 371,8 Millionen Euro. Bezogen auf die Bevölkerung von ca. 82 Millionen bedeutet dies etwa 4,50 Euro pro Einwohner im Jahr.

Der zu erwartende Anstieg der Kosten für die medikamentöse Therapie liegt weniger an der Kostensteigerung bei Augentropfen, -salben und -gelen zur Behandlung akuter herkömmlicher Augenerkrankungen wie Bindehaut- oder Hornhautentzündung. Vielmehr hat unsere demografische Situation ihren Preis. Schwere, das Sehvermögen bedrohende Augenkrankheiten, die erst im höheren Lebensalter auftreten und daher früher äußerst selten waren, nehmen drastisch zu und auch die Krankheitsverläufe haben sich verändert wie etwa beim Glaukom (Grüner Star), der zweithäufigsten Erblindungsursache in Deutschland. Noch vor 30 Jahren war die Behandlung dieser Augenkrankheit in erster Linie von der Augeninnendruckhöhe bestimmt mit dem Ziel, den intraokularen Druck medikamentös oder operativ unter den damals als Normgrenze angesehenen Wert von 21 mmHg zu senken. Damit war bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 64 Jahren bei Männern und 68 bis 70 Jahren bei Frauen eine gewisse Sicherheit gegeben, den Krankheitsverlauf bis zum Lebensende des Patienten bezüglich der Erhaltung seiner Sehkraft in Griff zu halten.

Heute ist die Lebenserwartung um mindestens 10 bis 20 Jahre erweitert. Bei Glaukom-Patienten im höheren Lebensalter führen die lange Zeit als normal geltenden Augeninnendruckwerte durch eine sich verselbstständigende Mikrozirkulationsstörung am Sehnerv früher oder später zur Erblindung. Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse kann nur eine Senkung des Augeninnendrucks unter 15 mmHg den Erhalt des Sehvermögens weitgehend garantieren. Aufgrund der neuen Therapieprinzipien mussten Glaukompräparate mit völlig anderem Wirkungsspektrum entwickelt werden, wie die lokal wirkenden Karboanhydrasehemmer, selektive alpha-2-Agonisten und Prostaglandinderivate. Sie werden isoliert oder kombiniert eingesetzt und geben unserer immer älter werdenden Bevölkerung die Chance, ihr 80. oder 90. Lebensjahr sehend zu erleben. Glaukompräparate sind seit vielen Jahren die am häufigsten verordneten Augenmedikamente.

Eine vergleichbare Entwicklung erleben Diabetiker. Die Zahl der manifest Erkrankten beträgt derzeit über fünf Millionen. Ihnen allen droht der Verlust ihres Sehvermögens durch die diabetische Netzhautkrankheit (diabetische Retinopathie). Die noch vor wenigen Jahrzehnten euphorisch geäußerten Feststellungen, dass sich durch die Fotokoagulation die drohende Erblindung verhindern lässt, hat sich durch die zunehmende Lebenserwartung dieser Patienten, die allgemeinmedizinisch bis ins hohe Lebensalter betreut werden, als nicht realisierbar erwiesen. Ursache sind die Spätkomplikationen wie Gefäßverschlüsse und vasoproliferative Veränderungen im Augeninneren, die oft im hohen Lebensalter nach wie vor zur endgültigen Erblindung führen.

Zur Behandlung solcher Netzhautkrankheiten wurden neue Medikamente entwickelt, die zum Teil als Interna systemisch eingesetzt oder auch direkt ins Auge injiziert werden. Letzteres gilt vor allem für die sich immer weiter ausbreitende altersabhängige Makuladegeneration, die für viele ansonsten gesunde alte Menschen zum Schicksal wird. Noch vor ca. 30 Jahren waren nur ganz wenige Patienten davon betroffen. Heute ist dieses Krankheitsbild aufgrund der Altersstruktur unserer Gesellschaft eines der häufigsten in der augenärztlichen Praxis.

Die Entwicklung innovativer Ophthalmika, die eine erfolgversprechende Behandlung auch bei Augenkrankheiten ermöglichen, die früher unabdingbar zur Erblindung führten, war nicht zum Nulltarif zu haben. Diese medikamentöse Behandlung hat ihren Preis, wird jedoch von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen übernommen. In naher Zukunft ist mit der Einführung weiterer hochwertiger Substanzen zu rechnen, die der Altersblindheit entgegenwirken können. Dennoch bleibt ihr Kosten steigernder Faktor verschwindend gering, gemessen an den 24,1 Milliarden Arzneimittelgesamtausgaben.

Tränenersatzmittel –
medizinisch notwendig und dennoch keine Kassenleistung?


An zweiter Stelle der Verordnungshäufigkeit lagen noch im Jahr 2002/2003 die Filmbildner oder Tränenersatzmittel, die bei Benetzungsstörungen des Auges angewendet werden. Unter dem Symptom "Trockene Augen“ leiden so viele Menschen, dass man fast von einer "Volkskrankheit“ sprechen muss. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von exogenen Einflüssen wie Zugluft, Klimaanlagen, Luftverschmutzung bis zu endogenen Ursachen. Dazu gehören u.a. hormonelle Umstellungen, weitere Auslöser können bestimmte Medikamente sein aber auch rheumatische Erkrankungen. Im Zuge der Reformen im Gesundheitswesen sind die Krankenkassen dazu übergegangen, die Behandlungskosten für Benetzungsstörungen des Auges lediglich bei Kindern und Rheumatikern zu übernehmen. Das hat dazu geführt, dass neben den wenigen noch als Medikament anerkannten Filmbildnern ein großer Teil dieser Ophthalmika als nicht verschreibungspflichtige "Medizinprodukte“ auf den Markt gebracht wurden. Das birgt die Gefahr, dass durch die nun ermöglichte Selbstmedikation der Patienten ernste Erkrankungen des Auges mit ähnlichen Symptomen unerkannt bleiben. In vielen Fällen hat eine solche Selbstbehandlung verhängnisvolle Folgen, wie etwa bei einem Herpesbefall der Hornhaut oder bei Ernährungsstörungen der Hornhaut als Spätfolge des Sicca-Syndroms, die heute immer häufiger auftritt – insbesondere bei sehr alten Menschen. Diese trophischen Störungen führen nicht selten zur bakteriellen Infektion, einem Hornhautgeschwür, und bedrohen somit das Augenlicht. Sicherheit vor den zahlreichen Komplikationsmöglichkeiten des Trockenen Auges können nur regelmäßige augenärztliche Kontrollen bieten und der Verzicht auf Selbstmedikation.

Kortison in der Augenheilkunde:
"Benefits“ dominieren


Unverdient hat Kortison in der Öffentlichkeit und in den Medien ein eher negatives Image. Die möglichen Nebenwirkungen sind weitaus bekannter als die Benefits, also die heilungsfördernden Effekte der Kortikosteroide. Dabei darf natürlich nicht verkannt werden, dass es sich bei den Glukokortikoiden oder Kortikosteroiden nicht um ein Therapeutikum handelt, das Erkrankungen gezielt heilen kann, sondern lediglich bestimmte Reaktionen des Körpers unterdrückt, die speziell auch am Auge den Heilungsprozess verzögern bzw. unmöglich machen. Die im Augenbereich angewandten Dosierungen rufen in aller Regel keine Nebenwirkungen hervor.

Viele Patienten, die unter oberflächlichen allergischen Reaktionen des Auges leiden, profitieren von der lokalen Behandlung mit kortisonhaltigen Medikamenten. Unverzichtbar sind sie zur Therapie nach Hornhautübertragung (Keratoplastik), um die natürliche Antikörper-Antigen-Reaktion zu unterdrücken, und ebenso bei der Katarakt-Operation mit Linsenimplantation. Auch hier würde sonst das Immunsystem die fremde Linse angreifen und somit Komplikationen hervorrufen. Eine meist kurzfristige Kortisontherapie trägt wesentlich dazu bei, Patienten das Augenlicht zu bewahren, die unter einer Uveitis leiden, einer akuten chronischen Entzündungen des Augeninneren (Regenbogenhautentzündung, Regenbogenhaut-/Ziliarkörperentzündung, Aderhautentzündung). Bei dieser Augenkrankheit kann in aller Regel kein Erreger nachgewiesen werden.

Seit kurzem etabliert sich eine weitere Form der Kortisonbehandlung bei Altersabhängiger Makuladegeneration (AMD), diabetischer Retinopathie und Netzhautthrombose, Augenkrankheiten, bei denen Erblindung droht. Die Einspritzung von gereinigtem Kortison in den Glaskörperraum hat sich in bestimmten Fällen als positiv für die Wiedergewinnung von Sehvermögen erwiesen. Der Prozentsatz ist jedoch noch nicht sicher abzuschätzen, Langzeitergebnisse müssen abgewartet werden.

Botox – begehrtes Gift

Ursprünglich galt Botulinumtoxin als tödliche Gefahr, die von infizierten Lebensmitteln ausging. Erst 1980 haben Forscher in Zusammenarbeit mit der Firma Pharm-Allergan seine Nerven lähmende Wirkung zur Entwicklung von Therapiekonzepten genutzt, die sich bei der Behandlung neuromuskulärer Störungen als erfolgreich erwiesen. In der Augenheilkunde wird Botox seither vor allem bei erwachsenen Patienten eingesetzt, die unter Strabismus (Schielen) leiden. Dazu wird das Präparat in die Augenmuskeln injiziert, die für die Fehlstellung verantwortlich sind. Ebenso wichtig ist diese Therapie bei Blepharospasmus, einem beidseitigen Lidkrampf, der willkürlich nicht zu beherrschen ist. Diese Muskelkrämpfe können die Mimik erheblich entstellen und die Sehfähigkeit bis zur zeitweiligen Blindheit behindern. Die Muskeln entspannende Wirkung der Botox-Injektion hält etwa drei Monate an. Danach kann die Behandlung jederzeit wiederholt werden. Komplikationen sind bei der Anwendung von Botulinumtoxin in der Augenheilkunde nicht zu erwarten. Das bis vor kurzem in der Öffentlichkeit nahezu unbekannte Medikament ist innerhalb kürzester Zeit als "Wundermittel gegen Falten“ zur Life-Style-Droge geworden. Durch vorübergehende Lähmung der entsprechenden Muskelgruppen werden steile Stirnfalten und Mundwinkelfalten geglättet, bis die Wirkung nachlässt. Die kosmetische Behandlung erfolgt nicht mehr allein in Arztpraxen, sondern inzwischen auch auf Botox-Partys, wo sich mehrere Interessenten die Behandlungskosten teilen.

Professor Dr. med. Holger Busse
Direktor der Universitäts-Augenklinik
Domagkstraße 15
48149 Münster
Tel.: 0251/ 8356004
Fax: 0251/ 8356003
E-Mail: busseho@ukmuenster.de


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