Verständlich ist es, dass sich jede Nachricht von einer wundersamen Heilung eines Blinden schnell verbreitet – forciert durch Wunschdenken. Aber leider verstellen solche Sensationsberichte den Blick auf das, was die Augenheilkunde heute leisten kann, und auf das, was als Ergebnis seriöser wissenschaftlicher Forschung voraussichtlich in absehbarer Zeit für den Menschen verfügbar sein wird.
Obwohl in Deutschland bis zu 20 Prozent der Bevölkerung von Blindheit bedroht sind, erblindet weit weniger als ein Prozent. Damit ist der Anteil an blinden Menschen wesentlich niedriger als in anderen Industrienationen, was auf unsere flächendeckende und hochtechnisierte augenärztliche Versorgung auf höchstem Niveau zurückzuführen ist. Voraussetzungen, unter denen Innovationen gedeihen, sind dort geschaffen, wo Universitätskliniken, in denen die Wissenschaft zu Hause ist, mit dem täglichen Leben im Gesundheitsbereich verankert sind und wo gleichzeitig interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Instituten aller Disziplinen stattfindet. Erkenntnisorientierte Grundlagenforschung und praxisorientierte Anwendungsforschung müssen zusammenwirken, und das ist in der deutschen Augenheilkunde der Fall. Daher konnte dieses kleine Fachgebiet Innovationen hervorbringen, die bahnbrechend für die gesamte Medizin waren:
Die Karriere der Laser in der Medizin begann in der Augenheilkunde mit der Behandlung von Netzhautablösungen. Es folgten weitere ganz unterschiedliche Anwendungsgebiete, wie Verödung krankhaft wuchernder Gefäße in der Netzhaut und Korrektion von Fehlsichtigkeiten.
Auch der Einsatz des Operationsmikroskops und die Mikrochirurgie haben in der Augenheilkunde entscheidende Impulse bekommen. Die Implantation künstlicher Augenlinsen nach einer Staroperation ist heute Standard, Glaskörper- und Netzhautchirurgie können viele Patienten vor Erblindung bewahren, wo sie früher unabwendbar war.
Ins Auge implantierte Medikamententräger ermöglichen eine Langzeittherapie, etwa bei chronischen Entzündungen oder krankhafter Gefäßneubildung, ohne systemische Nebenwirkungen.
Netzhautdegenerationen – seien sie genetisch bedingt und angeboren wie die Retinitis pigmentosa oder aus zum Teil noch ungeklärten Ursachen im Laufe des Lebens erworben wie die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) – gehören zu den großen Herausforderungen an die Augenheilkunde. Forschungsprojekte verfolgen ganz unterschiedliche Therapiekonzepte, die verschiedene Stadien erreicht haben. Als erfolgreich hat sich bei einer eng begrenzten Zahl von Patienten bereits die photodynamische Therapie (PDT) erwiesen, bei der krankhafte Gefäßneubildungen in der Netzhaut mit einem Farbstoff aktiviert und anschließend mit dem Laser verödet werden. Im Stadium der Tierversuche sind die elektronischen Implantate (Netzhaut-Chips), wobei die in Deutschland laufenden Projekte am weitesten fortgeschritten sind. Dennoch wird es Jahre dauern, ehe einer kleinen Gruppe blinder Menschen mit diesen Implantaten geholfen werden kann. Anders lautende Berichte sind mit großer Skepsis zu betrachten.
Die Hoffnung, die in die Gentherapie gesetzt wird, ist sicherlich berechtigt, nicht aber die Erwartung, dass sie sich bald erfüllt. Am Tiermodell ist es bereits gelungen, den genetischen Defekt bei einer Netzhautdegeneration zu korrigieren. Für den Gentransfer gibt es verschiedene Ansätze. Allen gemeinsam ist, dass mithilfe ganz bestimmter Viren gesundes genetisches Material in die Zielzellen eingeschleust wird.
Zwar ist durch die bisherigen sehr ermutigenden Erfolge der Grundstein für die Planung klinischer Studien gelegt; der breite klinische Einsatz ist jedoch in den nächsten fünf Jahren nicht zu erwarten.
Vielversprechend ist auch die Nanomedizin. „Nano“ heißt eigentlich nur extrem klein, aber Innovationen in diesem Bereich werden eine große Rolle spielen. Eine Zielvorstellung sind minimal invasive Eingriffe gewissermaßen auf zellulärer Ebene – zwar noch Vision, nicht aber Utopie.
Neue Erkenntnisse über das Immunsystem und die Bedeutung der Hornhautstammzellen führten zu erheblichen Fortschritten bei der Versorgung schwer verletzter Augen mit Hornhauttransplantaten. Während sie früher unter ungünstigen Bedingungen grundsätzlich eintrübten, lässt sich heute – zumindest in einigen Fällen – erreichen, dass sie klar bleiben.
Utopisch bleibt sicherlich für lange Zeit die Verpflanzung eines ganzen Auges, obwohl sich Sehnervengewebe im Experiment als regenerationsfähig erwiesen hat und zertrennte Sehnervenfasern wieder zusammenwachsen können. *
*Ausführliche Informationen im Beitrag zur AAD-Pressekonferenz 2002 „Im Tierversuch gelungen: Durchtrennter Sehnerv leitet wieder Bilder ans Gehirn“
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