Pressemitteilung
Medizin/Gesundheit/Augenheiunde

AAD Pressekonferenz 2004

Schmucker:

Wenn das Sehvermögen beeinträchtigt ist – Augenärzte als Wegweiser zur Unabhängigkeit

Die Innovationen auf dem Gebiet der modernen Kommunikationsmittel eröffnen auch sehbehinderten Menschen neue Möglichkeiten. Dennoch bleiben gerade für viele ältere Menschen die traditionellen vergrößernden Sehhilfen wie Lupenbrille und „Seeräuber-Fernrohr“ unverzichtbar.

In Deutschland leben etwa 650.000 Menschen mit einer Sehbehinderung, die nicht wie Fehlsichtigkeiten mit den üblichen Brillen oder Kontaktlinsen ausgeglichen werden kann. Zu den gut korrigierbaren Fehlsichtigkeiten zählen Kurzsichtigkeit (Myopie), Übersichtigkeit (Hyperopie), Stabsichtigkeit (Asigmatismus) oder Alterssichtigkeit (Presbyopie).

Sehbehinderungen können angeboren sein, im Verlauf einer Krankheit entstehen, durch einen Unfall hervorgerufen werden oder sich altersbedingt entwickeln. Je nach Ursache hat die Sehbeeinträchtigung unterschiedliche Erscheinungsformen: stark herabgesetzte zentrale Sehschärfe (z.B. bei Netzhautkrankheiten wie Makuladegeneration und diabetischer Retinopathie), ein sich mehr und mehr verengendes Gesichtsfeld (Retinitis pigmentosa) oder Gesichtsfeldausfälle (Glaukom). In vielen Fällen kommt noch erhöhte Blendempfindlichkeit hinzu und oft auch gestörte Farbwahrnehmung.

Wo hört Fehlsichtigkeit auf und wo beginnt Sehbehinderung?
Ausgehend von einer Norm für die Sehschärfe von 100 Prozent, gilt als sehbehindert, wer trotz Brille oder Kontaktlinsen höchstens 30, mindestens aber fünf Prozent erreicht. Liegt der Wert zwischen fünf und zwei Prozent, spricht man von einer hochgradigen Sehbehinderung. Mit einer Sehleistung unter zwei Prozent, die praktisch nur noch Hell-/Dunkel-Wahrnehmung ermöglicht, gilt man im Sinne des Gesetzes als blind.

Die Technik bietet ständig Innovationen –
ihren Wert bestimmt allein der individuelle Nutzen

Die einfach anwendbare, schriftvergrößernde Lupe hat neben den „intelligenten“ opto-elektronischen Systemen keineswegs an Bedeutung verloren. Welche der vielfältigen Möglichkeiten sich für den einzelnen Patienten in seiner individuellen Situation als wertvolle Hilfe erweisen wird und welche ihn eher überfordern würde, hängt u.a. davon ab, in welchem Lebensalter seine Sehbehinderung beginnt. Bei einer Retinitis pigmentosa treten die ersten Anzeichen in jungen Jahren auf, das Sehvermögen schwindet unaufhaltsam, aber bis zu ihrer endgültigen Erblindung haben sich die meisten jungen Menschen mit computergestützten Hilfsmitteln vertraut machen können, und sie haben auch Braille (ertastbare Punktschrift) lesen gelernt.
Augenkrankheiten, die erst im höheren Lebensalter zum Verlust der Sehschärfe führen oder sie stark beeinträchtigen, treffen die Patienten meist unvermittelt. Mit dem PC sind heute noch die wenigsten vertraut und unter den erschwerten Umständen einer Sehbehinderung lässt sich der Umgang mit der modernen Technik nur schwer erlernen. Der Augenarzt, der den Patienten kennt und den weiteren Verlauf seiner Krankheit, muss der Wegweiser sein. D.h., er verordnet für die augenblickliche Situation die bestmöglichen Hilfsmittel, die aber den Patienten nicht überfordern, denn, wenn er das Gefühl hat, zu versagen, ist die Gefahr einer Depression sehr groß.

Leselupen sind nach wie vor für viele Menschen die beste vergrößernde Sehhilfe. Mit einem Kamerasystem in Verbindung mit dem Fernseher oder dem Bildschirm des Computers lassen sich wesentlich stärkere Vergrößerungen der Schrift erreichen. Das Schriftstück (Buchseite, Zeitungsausschnitt, Kontoauszug) wird auf eine bewegliche Fläche unter die Kamera gelegt. Aber je stärker die Vergrößerung,
desto kleiner der Ausschnitt, sodass eine gute Gedächtnisleistung erforderlich ist, um den Zusammenhang zu erfassen. Neben den optisch elektronischen Hilfen gibt es auch akustische, in die man z.B. Zeitungsseiten einscannt. Kurz darauf werden sie dann von einer synthetischen Stimme vorgelesen. Während solche intelligenten Systeme für sehbehinderte Menschen im Beruf eine entscheidende Rolle spielen, meistern Ältere ihre alltäglichen Anforderungen zumeist mit den klassischen, vergrößernden Sehhilfen.

Sehbehinderung –
trotz Rehabilitationshilfen hochgradig anstrengend


Im Beispiel aus dem Alltag des sehbehinderten Ehepaares Huber, das zusammen mit Sohn, Schwiegertochter und zwei Enkeln unter einem Dach lebt, sind die Personen zwar fiktiv, die Geschichte könnte sich aber überall in Deutschland im Jahr 2004 so oder ähnlich abspielen. Familie Huber wohnt in einem kleinen Dorf ganz in der Nähe einer Kleinstadt und hat sich vor geraumer Zeit den Traum vom eigenen Heim erfüllt.

Aufgrund seiner beruflichen Anforderungen ist Vater Huber kommunikationstechnisch auf dem neuesten Stand. Welche Mindestleistungen die für viele schon selbstverständlichen „Hightech-Assistenten“ den Augen abverlangen, darüber macht sich kaum ein Anwender Gedanken. Die Arbeit am PC mit LCD-Flachbildschirm erfordert eine Sehschärfe von mindestens 60 bis 80 Prozent, für Notebook und Handheld braucht man – wie fürs Autofahren - 80 Prozent und wenn die Digitaluhr auch als Terminkalender dient, muss man sogar über eine Sehschärfe von 100 Prozent verfügen.

Großvater Huber leidet an einer Netzhautkrankheit, einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD). Seine Sehschärfe ist auf 20 Prozent reduziert. Wenn er sich zusammen mit seinem Sohn und seinem Enkel dem Hobby der männlichen Hubers widmet, der Modelleisenbahn, kann er nur noch wenige Aufgaben übernehmen. Er bedient den Schalter der elektrischen Anlage und die Züge auf den äußeren Schienen, weil er nur in diesem Bereich gut genug sieht. Alles andere, was sich auf der viermal fünf Meter großen Sperrholzplatte befindet, eine ganze Landschaft mit Häusern, Bahnhöfen, Autos und Menschen, kann er nur mit seiner Lupenbrille betrachten.

Abb.1 Lupenbrille

Zwar sieht sie aus wie eine einfache Lesebrille, vergrößert aber um das 2,5- bis 3-fache mit dem Nachteil, dass er, um die Objekte deutlich sehen zu können, sie dicht vor Augen haben muss, nämlich acht bis zehn cm. Für größere Entfernungen, etwa den Blick auf die Wanduhr, nimmt er lieber sein Seeräuber-Fernrohr

Abb.2 Kepler-Handmonokular

Auch Großmutter Hubers Sehbehinderung ist auf eine Netzhautveränderung zurückzuführen, die allerdings als Folge langjähriger Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) aufgetreten ist. Ihre Sehleistung beträgt auf dem besseren Auge nur zehn Prozent. Im Haus findet sich die alte Dame beachtlich gut zurecht. Aber ohne Spezial-Sehhilfe kann sie nicht mehr Zeitung lesen. Zunächst hatte sie es mit einem Lupenvorsatzclip auf ihrer Lesebrille versucht.

Abb. 3 Frau mit Lupenvorsatzclip

Das war zwar eine preiswerte Lösung, aber sie erwies sich als zu unpraktisch. Frau Huber bekam daher eine Fernrohrlupenbrille,

Abb. 4 Fernrohrlupenbrille

die ihr sowohl beim Lesen als auch bei der Arbeit in der Küche gute Dienste leistet. Als bequemere Alternative benutzt sie zum Lesen eine starke Handlupe und ihr Leuchtlesepult.

Abb. 6 Leuchtlesepult

Mehr Licht kann oftmals eine sehr wirkungsvolle „Sehhilfe“ sein. Viele Arbeiten fallen Frau Huber in der Küche wieder leichter, seit auf Anraten des Augenarztes eine zusätzliche, sehr starke Lampe installiert wurde. Neben starker Beleuchtung sind starke Kontraste eine große Hilfe, so ist bei Hubers auch der Tisch immer möglichst kontrastreich gedeckt. Die Farbe der Speise bestimmt, ob weiße oder dunkelblaue Teller benutzt werden und danach wiederum richtet sich die Farbe der Tischdecke.

Um den Großeltern die selbstständige Nutzung des Telefons zu erleichtern, haben die Hubers auf Empfehlung des Augenarztes am speziell eingerichteten Leseplatz der beiden einen Apparat mit extragroßen Nummerntasten installiert - direkt neben einer beleuchteten Standlupe. So gut lässt sich das Problem mit dem abendlichen Fernsehen leider nicht lösen. Die beiden haben ihr eigenes Gerät, und sie müssen sehr dicht davor sitzen, denn ihre Sehschärfe erlaubt nur einen Abstand von einem Meter. Oft wird die Hilfe der anderen Familienmitglieder gebraucht, etwa bei der Suche nach dem gewünschten Programm und beim Umschalten. Die dunklen Tasten der sonst einfachen Fernbedienung erschweren den Umgang mit dieser Technik enorm.

Am schwierigsten war es für die Großeltern zu akzeptieren, in vielen Situationen auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Aber das ist ihnen inzwischen sehr gut gelungen. Die Familie hofft, dass sie es auch weiterhin schaffen wird, die mit der Sehbehinderung verbundenen Schwierigkeiten zu meistern. Alle wissen aber auch, dass die Möglichkeiten der Krankenkassen für weitere Hilfsmittel begrenzt sind, und so bemüht sich jeder, das Seine dazu beizutragen, den Großeltern den Wunsch nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu erfüllen.

Dr. med. Achmed Schmucker
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96114 Hirschaid
Fax 09543.8503352
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