Pressemitteilung
Medizin/Gesundheit/Augenheilkunde

AAD Pressekonferenz 2004

Guthoff:

Plastische Chirurgie in der Augenheilkunde – Schönheitsoperation oder Therapie?

Veränderungen der Augenumgebung können durch Krankheiten oder Unfälle entstehen. Oft beeinträchtigen sie das Sehen; eine psychische Belastung sind sie fast immer. Funktionelle Rehabilitation mit dem bestmöglichen ästhetischen Effekt ist das Ziel der Augenchirurgen. In vielen Fällen übernimmt die Kasse die Kosten.

Nach Einschätzungen der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) wurden im vergangenen Jahr 400.000 ästhetisch-plastische Operationen in Deutschland vorgenommen. In den allermeisten Fällen ging es den Patienten darum, sich ihrem Schönheitsideal entsprechend verändern zu lassen.

In der Augenheilkunde hat die plastische Chirurgie eher einen rekonstruktiven Charakter. Unfall- und Kriegsopfer aus vielen Ländern wurden und werden auch heute noch in deutschen Augenkliniken versorgt – sie werden rehabilitiert. Wenn das Augenlicht auf dem Spiel steht, gelten andere Maßstäbe.

Dennoch sind Augenärzte nicht etwa weltfremd und haben nicht nur einen Blick für Sehbehinderungen, die durch anatomische Abweichungen hervorgerufen werden. Es ist ebenso ihr Anliegen, dass ein ästhetisches oder auch nur kosmetisches Problem sehr ernst zu nehmen ist und nach Möglichkeit behoben werden sollte. Das zu vermitteln, ist sehr wichtig; denn mit kosmetischen Problemen rund ums Auge zum Schönheitschirurgen zu gehen, kann verheerende Folgen für das Sehvermögen haben.

Optische Rehabilitation hat nichts mit Eitelkeit zu tun –
Veränderungen, die belasten:


Abb. 2
Abb. 5

Schlupflid

so die gängige Bezeichnung für die das Auge überlappende Oberlidhaut. Teilweise werden dabei die Wimpern des Oberlides verdeckt, teilweise kann die Hautfalte Ausmaße annehmen, die sogar das Gesichtsfeld einschränken und zu einer deutlichen Sehbehinderung führen.
Dieser Hautüberschuss kann mit einer Lockerung des Halteapparates des Lides verbunden sein, sodass Fettgewebe aus der Tiefe der Augenhöhle nach vorne drängt und das Erscheinungsbild des Patienten kosmetisch ungünstig verändert.
Die chirurgische Korrektur des Schlupflides wird von den Krankenkassen nur dann übernommen, wenn das Gesichtsfeld bereits eingeschränkt ist. Zur Abklärung der Kostenübernahme sind augenärztliche Voruntersuchungen notwendig, die das Ausmaß der Behinderung dokumentieren.
Sollten die Veränderungen weniger ausgeprägt sein und das Sehvermögen nicht beeinträchtigen, ist davon auszugehen, dass es sich um eine ästhetisch-chirurgische Maßnahme handelt, deren Kosten der Patient selber tragen muss.

Abb. 6

Tränensäcke

entstehen durch Lockerung der Bindegewebsstruktur, die das orbitale (zur Augenhöhle gehörende) Fettgewebe zurückhält. Die Vorwölbung des Unterlids wird durch eine Verlagerung des Fettkörpers verursacht, der die Augenhöhle ausfüllt. Mit dem Tränensystem hat diese Veränderung nichts zu tun. Eine chirurgische Korrektur der Tränensäcke kann auf unterschiedliche Weise vorgenommen werden.
Die Entscheidung wird davon beeinflusst, ob ein Überschuss an Haut vorhanden ist oder ob es sich ausschließlich um eine Verlagerung von Fettgewebe handelt. Sollte „nur“ die Haut zu locker geworden sein, ist eine chirurgische Exzision der Haut möglich oder eine Oberflächenbehandlung mit die Hautschichten straffenden Laserstrahlen. Sollte Fettgewebe vorgefallen sein, ist eine gezielte Entfernung dieses Gewebes unter Umständen über einen von außen nicht sichtbaren Zugang über die Bindehaut sinnvoll. Die Eingriffe werden nicht von der Krankenkasse bezahlt, obwohl einige Patienten sehr unter ihrem Erscheinungsbild leiden und dadurch auch manchmal psychisch stark belastet sind.

Abb. 4a vor OP

Abb. 4b nach OP

Hängendes Augenlid

Die Konturen der Augenlider stellen markante Elemente im Gesichtsausdruck jedes Menschen dar. Besonders auffällig sind Asymmetrien. Sie können angeboren sein, als Symptome verschiedener Muskelerkrankungen auftreten oder altersbedingt infolge nachlassender Gewebsspannungen. Folgenschwer wäre ohne rechtzeitige Korrektur das angeborene hängende Lid, da es unter Umständen die Sehachse verdeckt. Das Kind könnte auf dem betroffenen Auge keine normale Sehleistung entwickeln.
Die Kosten für Eingriffe zur Korrektur einseitig oder beidseitig auftretender „hängender Augenlider“ werden in aller Regel aufgrund der großen funktionellen Bedeutung eines „freien Blicks“ von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Abb. 7

Basedow’sche Krankheit - das „Glotzauge“

Infolge bestimmter Formen von Schilddrüsenerkrankungen (Immunthyreopathie) kann das Gewebe der Augenhöhle an Volumen zunehmen, sodass der Augapfel unter Umständen sehr weit aus den Augenhöhlen herausgepresst wird. Im Extremfall ist dann ein Lidschluss nicht mehr möglich. Die Folge: ein „Trockenes Auge“ schwerster Ausprägung. Im weiteren Verlauf entstehen Hornhautgeschwüre, die zum Verlust des Auges führen können. Eine weitere mögliche Komplikation: Unter Umständen kann der Sehnerv komprimiert und dadurch nicht mehr ausreichend durchblutet werden.

Aber auch mildere Stadien dieser Erkrankung führen zu funktionellen und ästhetischen Beeinträchtigungen. Es ist also nicht etwa ein kosmetisches Problem, das im Rahmen einer Schönheitsoperation behoben werden kann. Hier ist unbedingt die Augenheilkunde gefordert, stadiengerechte Behandlungsmaßnahmen vorzunehmen - von chirurgischen Eingriffen zur Verkleinerung der Lidspalte bis hin zu Operationen der Augenhöhle (Orbita), um sie von dem krankhaft erhöhten Druck zu entlasten. Mit der funktionellen Rehabilitation wird gleichzeitig das „ins Auge springende“ ästhetische Problem gelöst.

Über die reine Volumenzunahme hinaus können die Augenmuskeln in unterschiedlichem Maße betroffen sein. Nicht selten entwickeln sich dadurch Augenfehlstellungen, mehr oder minder ausgeprägtes Schielen und das führt häufig dazu, dass der Patient störende Doppelbilder wahrnimmt.

Patienten mit Schilddrüsenkrankheiten, bei denen Augenlider und die Augenhöhle betroffen sind, bedürfen einer besonders sorgfältigen interdisziplinären Betreuung.
Der Augenarzt ist mit chirurgischen Maßnahmen in der Lage, die störenden und zur Verkehrsuntauglichkeit führenden Doppelbilder zu beseitigen. Gleichzeitig verhilft er seinem Patienten wieder zu gutem Aussehen und positiver Ausstrahlung. Die Kosten für diese Eingriffe werden in aller Regel von den Krankenkassen erstattet.

Abb. 11

Mein Auge muss entfernt werden -
Wie werde ich dann aussehen?
Wird meine Umgebung etwas merken?


Dank der großen Fortschritte in der Augenheilkunde, kommt es immer seltener vor, dass der Augenarzt gezwungen ist, einem Patienten zu sagen, dass sein Augapfel entfernt werden muss. Sollte dieser Eingriff jedoch unvermeidbar sein - sei es aufgrund eines bösartigen Tumors oder wegen großer Schmerzen bei einem nicht mehr funktionsfähigen Auge -, dann entsteht für den Patienten, aber auch für seinen Augenarzt eine psychisch überaus belastende Situation.

In den letzten Jahrzehnten sind jedoch Techniken entwickelt worden, die es erlauben, den Eingriff so zu gestalten, dass die Umgebung kaum noch erkennt, dass ein Patient auf einer Seite ein Kunstauge trägt. Die Fortschritte bestehen in erster Linie in der Möglichkeit, einen Platzhalter für das entfernte Auge einzupflanzen, der in der Lage ist,
1. das verloren gegangene Volumen aufzufüllen und
2. das Kunstauge immer besser in seinen Bewegungen dem gesunden Auge anzupassen.

Abb.8

Tumor am Augenlid

Basalzellkrebs-Erkrankungen (Basaliome) sind mit zunehmender Sonnenlichteinwirkung häufiger geworden. Sie treten in stärkerem Maße auch im Bereich der Augenlider auf. Grundsätzlich hat die radikale Entfernung eines potenziell bösartigen Tumors Vorrang. Mit den modernen mikrochirurgischen Techniken, die sowohl zur Tumor-Entfernung als auch zur Rekonstruktion der verbleibenden Lider eingesetzt werden, kann bei fast allen Patienten ein gutes bis sehr gutes ästhetisches Ergebnis erreicht werden. Es gelingt sogar, ein Augenlid vollständig zu ersetzen. Dazu werden besondere Lappentechniken angewandt und freie Transplantate eingesetzt, die zum Beispiel aus den Lidern des gesunden Partnerauges gewonnen wurden, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen. Rekonstruktive Maßnahmen im Rahmen der Tumorchirurgie sind im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten.

Abb.10

Wenn dem Baby ein Auge fehlt

Jedes Jahr kommen in Deutschland fünf bis zehn Kinder zur Welt, bei denen ein Auge entweder gar nicht angelegt ist (Anophthalmus) oder der Augapfel nur in Form einer erbsengroßen funktionslosen Struktur existiert. In den letzten Jahren wurden an der Universitäts-Augenklinik Rostock sehr wirkungsvolle Behandlungsstrategien entwickelt, um diesen Kindern später zu einem normalen Aussehen zu verhelfen. Um die Orbita so zu gestalten, dass sie in der Lage ist, ein Kunstauge aufzunehmen, wird ein selbstquellender Expander implantiert. Dadurch soll auch das unter Umständen verzögerte Wachstum der knöchernen Augenhöhle der normal entwickelten Seite angepasst werden. Es ist das Bestreben der Augenchirurgen, mit dieser neuen Methode eine nahezu vollständige ästhetische Rehabilitation der Kinder mit angeborenem Anophthalmus herbeizuführen.

Professor Dr.med. Rudolf F. Guthoff
Direktor der Universitätsaugenklinik Rostock
Doberaner Straße 140
18057 Rostock
Tel. 0381-4948500
Fax 0381-4948502
rudolf.guthoff@med.uni-rostock.de

Abbildungen entnommen z.T. aus der Sammlung der Universitätsaugenklinik Rostock, z.T. aus dem Lehrbuch "Colour Atlas of Ophthalmic Plastic Surgery" von Tyers & Collin, Churchill Livingstone Verlag.


Herausgeber:
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