AAD Pressekonferenz 2000
U. Schmidt-Erfurth:
Photodynamische Therapie der altersbegleitenden Makuladegeneration
(Original und Kurzfassung)
Bestimmten Patienten kann durch ein neues Behandlungsverfahren geholfen werden. Noch ist das Präparat in Deutschland nicht zugelassen. Die Finanzierung wird die Budgetgrenzen sprengen.
Neue Möglichkeiten zur Behandlung der feuchten Makuladegeneration
Unter einer altersbegleitenden Makuladegeneration (AMD) leiden in der Bundesrepublik etwa 25 Prozent aller über 65jährigen Menschen. Die Augenkrankheit tritt in zwei Formen auf: als trockene AMD und als feuchte oder exsudative AMD. Von der trockenen AMD sind weit mehr Patienten betroffen. Im Verlauf der Krankheit nimmt die zentrale Sehschärfe zwar sehr langsam aber beständig ab. Das Lesen wird immer schwieriger, doch das Orientierungsvermögen bleibt erhalten. Eine Therapie, die das Nachlassen der Sehleistung aufhalten kann, steht bis heute leider weltweit noch nicht zur Verfügung. Bei der feuchten AMD, die sich bei etwa sieben Prozent der Patienten entwickelt, verläuft der Krankheitsprozess bedeutend schneller und dramatischer. Ohne Behandlung verlieren sie ihre zentrale Sehschärfe vollständig und meist innerhalb von zwei Jahren. Das liegt daran, dass sich bei dieser Form ausgeprägte Flüssigkeitsansammlungen und krankhafte Gefäßwucherungen unter der Netzhaut bilden. Um den Verlauf der Krankheit zu verlangsamen, konnten bisher Gefäße durch Laserkoagulation verödet werden, allerdings nur in einem ausreichenden Sicherheitsabstand. Dabei ist es unvermeidbar, dass ein kleines Areal des gesunden Netzhautgewebes in Mitleidenschaft gezogen wird. Diese Problematik zu kennen, ist zum Verständnis der neuen Methode wichtig.
Mit dem neuen Verfahren, der photodynamischen Therapie (PDT), werden die krankhaften Gefäße unter der Netzhaut verschlossen, die Flüssigkeitsansammlungen können austrocknen und die intakten Sinneszellen der Netzhaut bleiben erhalten.
Die Behandlung besteht darin, dass ein durch Licht aktivierbarer Farbstoff in die Armvene gespritzt wird, der sich in den Gefäßwucherungen anreichert. Durch Bestrahlung mit Laserlicht niedriger Intensität wird die gewünschte Reaktion ausgelöst. Die internationalen Studien, an denen die deutschen Wissenschaftler der Universitäts-Augenklinik Lübeck maßgeblich beteiligt sind, zeigen, dass ein bleibender Erfolg nur durch wiederholte Behandlungen während der aktiven Phase der feuchten AMD erreicht werden kann. Außerdem hängt die Prognose vom Stadium der Erkrankung ab und der Art der krankhaften Gefäßneubildung.
Die photodynamische Therapie kann unter bestimmten Voraussetzungen die feuchte AMD zum Stillstand bringen oder zumindest den Verlauf verlangsamen. Bisher ist aber das für die Injektion erforderliche Präparat Verteporfin in Deutschland noch nicht zugelassen und muss aus der Schweiz importiert werden. Die Kosten allein für die einmalige Anwendung des Präparates liegen zur Zeit bei 3.200 DM. Pro Patient und Jahr sind das etwa 11.000 DM reine Medikamentenkosten. Hinzu kommt der sehr hohe apparative Aufwand. In die Freude der Augenärzte über die Aussicht, zumindest einigen ihrer AMD-Patienten helfen zu können, mischt sich die Sorge, ob dieser Fortschritt je bezahlbar sein wird. Denn legt man die realistische Zahl von 7000 Patienten zu Grunde - das sind knapp zwei Prozent aller an einer Makuladegeneration Erkrankten - für die pro Jahr eine photodynamische Therapie infrage käme, dann wird allzu deutlich klar, dass dies nur zu realisieren ist, wenn die Medikamenten-Budgets entsprechend aufgestockt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es überhaupt noch keine Vorstellungen darüber, wie die Kostenübernahme der PDT durch Krankenkassen geregelt werden könnte.
Altersbegleitende Makuladegeneration (AMD)
Photodynamische Therapie:Hoffnung innerhalb enger Grenzen
Die Krankheit
In der Bundesrepublik erkranken etwa 25 Prozent der über 65jährigen Menschen an der Makuladegeneration. Diese Netzhautkrankheit tritt als trockene oder als feuchte (exsudative) AMD auf. Unter der feuchten, der schwerer verlaufenden Form leiden etwa sieben Prozent der Patienten. Das neue Behandlungsverfahren, die photodynamische Therapie, ist ausschließlich bei der feuchten AMD anwendbar, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen, die lediglich auf knapp zwei Prozent aller an der Makuladegeneration Erkrankten zutreffen. Bei der feuchten Makuladegeneration wird die zentrale Sehschärfe so erheblich vermindert, dass die Patienten nicht mehr lesen können und dass ihr zentrales Gesichtsfeld in einem derartigen Ausmaß verfällt, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die Aufgaben des täglichen Lebens selbständig zu verrichten. Die Krankheit befällt die Stelle des schärfsten Sehens, gelber Fleck oder auch Macula lutea genannt. Die Ursachen der weit verbreiteten Erkrankung sind noch nicht wissenschaftlich geklärt. Offensichtlich spielen das Lebensalter und das Geschlecht des Patienten eine Rolle. Außerdem begünstigen möglicherweise Erkrankungen des Gefäßsystems und auch das Rauchen die Entstehung einer Makuladegeneration. Am Auge ist eine Störung des Stoffwechsels der Netzhaut und der Sehpigment-Schicht zu beobachten, die mit Ablagerung von Abbauprodukten und einer Unterversorgung der Sinneszellen mit Sauerstoff und Nährstoffen einhergeht. Bei der trockenen Makuladegeneration fällt das Sehpigment aus; die Sehschärfe nimmt langsam aber beständig ab. Die feuchte oder exsudative Makuladegeneration ist mit ausgeprägten Flüssigkeitsansammlungen verbunden. Bei einem Teil der Betroffenen bilden sich pathologische Gefäßwucherungen, die aus der Gefäßschicht unter der Netzhaut herauswachsen und zu ausgedehnten Blutunge n führen. Im weiteren Verlauf entstehen Vernarbungen der empfindlichen zentralen Netzhautstrukturen. Diese Patientengruppe hat die schlechteste Prognose. Man muss damit rechnen, dass 70 Prozent von ihnen innerhalb von zwei Jahren die zentrale Sehschärfe auf beiden Augen verlieren.
Behandlung mit Laserkoagulation (Verödung), Operationsmethoden
Die einzige Behandlungsmöglichkeit der Gefäßaussprossungen unter der Netzhautmitte war bis vor wenigen Jahren die Verödung mit einem besonders intensiven Laserlicht. Dabei konnte zwar die Wucherung zerstört werden, gleichzeitig gingen jedoch die benachbarten Sinneszellen zu Grunde, so dass die Patienten kurzfristig einen weiteren Sehverlust in Kauf nehmen mussten und langfristig nur einen sehr begrenzten Nutzen von der Behandlung hatten. Außerdem konnten, und das ist zum Verständnis der neuen Methode wichtig, nur Gefäße in einem ausreichenden Sicherheitsabstand verödet werden. Des weiteren wurden Operationsverfahren entwickelt, bei denen entweder die krankhaften Blutgefäße entfernt werden oder die Netzhaut in einer aufwendigen Operation gedreht wird.
Photodynamische Therapie (Farbstoffinjektion und schonende Laserbestrahlung)
Bei der photodynamischen Therapie (PDT) wird ein durch Licht aktivierbarer Farbstoff in die Armvene gespritzt, der sich in den krankhaft veränderten Gefäßen des Auges unter der Netzhaut anreichert. Mit einem spezifisch auf den Farbstoff abgestimmten Licht niedriger Intensität wird eine auf diesen Bereich begrenzte Reaktion ausgelöst, die bewirkt, dass die neugebildeten und wuchernden Zellen zerstört werden. Deutsche Wissenschaftler konnten in experimentellen Studien beweisen, dass auch isolierte krankhafte Gefäßneubildungen im Auge durch die photodynamische Therapie behandelbar sind und ein kompletter Verschluss der neugebildeten Gefäße erreicht werden kann, während normale sensible Strukturen in unmittelbarer Nachbarschaft der erkrankten Bereiche nicht geschädigt werden. Damit ist es prinzipiell möglich, unter die Netzhautmitte eingewachsene abnormale Gefäße komplett zu verschließen, Flüssigkeitsansammlungen auszutrocknen und noch intakte Sinneszellen der Netzhaut zu erhalten oder so gar zu regenerieren. Bei einem weltweit ersten klinischen Einsatz der Methode konnten Wissenschaftlicher der Universitäts-Augenklinik Lübeck bei 97 Patienten mit einer ausgedehnten Gefäßneubildung im Netzhautzentrum und schon fortgeschrittenem Verlust der Sehschärfe eine photodynamische Therapie des erkrankten Areals mit Erfolg anwenden, ohne dass der bei der konventionellen Laserbehandlung typische zusätzliche Netzhautschaden entstand. In Kooperation mit der Harvard Medical School, Boston, und der Johns Hopkins Universität, Baltimore, wurde eine sichere, nebenwirkungsfreie Behandlungsdosis bestimmt.
Einmal behandeln genügt fast nie
Langzeitbeobachtungen haben gezeigt, dass der chronische Verlauf der Erkrankung durch eine einmalige Therapie nicht grundsätzlich beeinflusst werden kann, sondern dass die Behandlung während der aktiven Phase der Erkrankung wiederholt werden muss, um einen bleibenden Erfolg zu ermöglichen. Entsprechend wurde in einer weiteren Studie die Wirksamkeit und Sicherheit von Wiederholungsbehandlungen untersucht. Bei 31 Patienten mit Makuladegeneration war nach Mehrfachbehandlung eine anhaltende Stabilisierung des Therapieerfolgs im ersten Jahr nachweisbar, ohne dass negative Begleiterscheinungen auftraten. Einen breiten Einsatz des neuen Therapiekonzeptes brachte eine große internationale Studie zur PDT. Sie soll Aufschluss über den Behandlungserfolg über einen Zeitraum von zwei Jahren geben. Dabei wurden koordiniert von Lübeck, Lausanne, Baltimore und Boston an 22 Netzhautzentren in den USA und Europa parallel zu den PDT-Patienten einer Kontrollgruppe Plazebos verabreicht. In dieser TAP-Studie (Treatment of age-related macular degeneration with photodynamic therapy) wurden 609 Patienten mit Gefäßneubildungen ausschließlich infolge einer AMD mit dem Sensibilisator-Medikament Verteporfin und einem Rotlichtlaser behandelt. Die Patienten wurden in dreimonatigen Abständen augenärztlich untersucht und bei noch bestehender Aktivität des Krankheitsprozesses wiederbehandelt, bis keine Aktivität mehr nachweisbar war. Die inzwischen analysierten Einjahresergebnisse der TAP-Studie haben gezeigt, dass bei 61 Prozent der Augen, bei denen die PDT angewandt wurde, eine Visusstabilisierung eingetreten war, bei den Augen der Kontrollgruppe dagegen nur bei 46 Prozent. Zusätzlich hatte sich in der behandelten Gruppe bei doppelt so vielen Patienten das Sehvermögen verbessert wie in der Kontrollgruppe.
Wer profitiert von der neuen Behandlungsmethode?
Eine weitere Beleuchtung der Ergebnisse zeigte aber auch klar, dass der Behandlungserfolg durch PDT umso deutlicher ausfiel, je höher der primäre Anteil einer "klassischen" Gefäßneubildung im Makulabereich war. Den Nachweis, ob es sich um klassische Gefäßneubildungen handelt, liefert die Fluoreszenzangiographie. Dabei wird der Farbstoff Fluorescein in die Armvene injiziert und danach der Augenhintergrund in Serie fotografiert. So stellen sich die Gefäße in der frühen Phase der Angiographie eindeutig dar. Erfasste der Anteil dieser klassischen Komponente mehr als die Hälfte des gesamten Prozesses, lag die Erfolgsrate der PDT bereits bei 67 Prozent (Vergleichswert 39 Prozent). Läsionen mit ausschließlich klassischem Gefäßprozess zeigten einen fast 80prozentigen Behandlungserfolg. Nebenwirkungen traten bei sachgerechter Dosierung und adäquater Verabreichung des Farbstoffes nicht auf. Sehr wichtig ist lediglich nach jeder Behandlung ein konsequenter Lichtschutz während der nächsten zwei Tage.
Die Zukunft: Anwendungsbereich und Finanzierung
Im Laufe des Jahres 2000 werden die Zweijahresergebnisse der TAP-Studie erwartet. Gleichzeitig sollen dann Erfahrungen darüber vorliegen, ob das Verfahren auch bei anderen krankhaften Veränderungen der Netzhautmitte angewendet werden kann. Nach derzeitigem Stand ist damit zu rechnen, dass Verteporfin im Herbst dieses Jahres in der EU zugelassen wird. Bis jetzt muss es aus der Schweiz importiert werden. Die Kosten für eine einmalige Anwendung des Medikamentes belaufen sich im Moment auf 3.200 DM. Pro Patient und Jahr ist allein für das Medikament mit Kosten von zirka 11.000 DM zu rechnen. Hinzu kommt der apparative Aufwand, und der ist ebenfalls sehr hoch. Legt man die realistische Zahl von 7.000 Patienten zu Grunde, für die pro Jahr eine photodynamische Therapie in Frage käme, dann ist dies nur zu realisieren, wenn die Medikamenten-Budgets entsprechend aufgestockt werden. Die Augenärzte sind dankbar, wenn es Möglichkeiten gibt zu helfen, aber dazu müssen auch die Voraussetzungen geschaffen werden.
PD Dr.med. Ursula Schmidt-Erfurth
Universitäts-Augenklinik Lübeck
(Direktor: Prof.Dr.med. H. Laqua)
Ratzeburger Allee 160
23562 Lübeck
Tel (0451) 5006028
Fax (0451) 5002976
Altersbegleitende Makuladegeneration (AMD)
Augenkrankheit, die vorwiegend im höheren Lebensalter auftritt. Betroffen ist die Stelle des schärfsten Sehens (Makula).
Ursache
Stoffwechselprodukte können nicht mehr entsorgt werden und lagern sich im Gewebe unter der Netzhaut ab.
Formen
Trockene AMD: langsam fortschreitend, zentrale Sehschärfe bleibt auf bescheidenem Niveau erhalten.
Feuchte AMD: Blutgefäße sprießen in die Netzhaut ein. Flüssigkeit und Blut können austreten, es bilden sich Narben. Hochgradiger Verlust der zentralen Sehschärfe.
Behandlung der feuchten AMD
Koagulation mit Laserstrahlen
Nachteil: Gesundes Gewebe wird gleichzeitig mit zerstört, Gefäße unter der Netzhautmitte nicht erreichbar.
Operationen
unter bestimmten Voraussetzungen erfolgreich.
Photodynamische Therapie
Ein Farbstoff wird in die Vene injiziert. Er reichert sich in den krankhaft neugebildeten Gefäßen an. Durch eine schonende Laserbestrahlung wird der Farbstoff aktiviert. Die Gefäße veröden. Vorteil: Die Netzhaut wird durch dieses Verfahren nicht geschädigt. Geeignet für klassische Gefäßneubildungen: Neu gebildete Gefäße unter der Netzhautmitte darstellbar durch ...
Fluoreszenzangiographie
Intravenös applizierter Farbstoff ermöglicht fotografische Darstellung
Herausgeber:
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