Pressemitteilung
Medizin/Gesundheit/Augenheilkunde

AAD Pressekonferenz 2000

R. Sundmacher:

Hornhautbanken

Neue Erkenntnisse über die Anatomie der Hornhaut, die immunologischen Reaktionen und die optimale Operationsplanung verbessern die Prognose.

Eine Bank, der das Geld fehlt
Warum brauchen wir Hornhautbanken?


In erster Linie, weil weit mehr Transplantate gebraucht werden, als in den Kliniken für Patienten zur Verfügung stehen, die dringend einer Keratoplastik, also einer Hornhauttransplantation, bedürfen. Weitere ebenso wichtige Gründe: Vor jeder Hornhautübertragung muss gewährleistet sein, dass die Spenderhornhaut für den Empfänger kein Infektionsrisiko birgt, und außerdem hängt in vielen Fällen die Akzeptanz des fremden Gewebes davon ab, dass eine möglichst große Übereinstimmung mit dem des Empfängers besteht.

Hintergründe

In den Niederlanden ist im Gegensatz zu Deutschland bereits eine volle Bedarfsdeckung mit Hornhauttransplantaten erreicht. Daher gibt es dort auch zuverlässige Zahlen über den jährlichen Bedarf. Umgerechnet auf Deutschland müssten bei uns Jahr für Jahr 4.500 Hornhauttransplantationen vorgenommen werden. Um Qualität und Verträglichkeit gewährleisten zu können, müssten 6.300 Hornhäute zur Verfügung stehen, und dazu wäre die Zustimmung von etwa 3.300 Spendern im Jahr erforderlich. Diese Zahlen geben allerdings nur Aufschluss über den laufenden Bedarf in Deutschland. Der aktuelle liegt wesentlich höher, weil die meisten Augenkliniken gezwungen sind, lange Wartelisten zu führen.

Forderungen an die Qualität eines Hornhauttransplantats

Jedes Infektionsrisiko muss ausgeschlossen werden können und das Gewebe muss vital sein. Zusätzlich wird heute mehr und mehr auch die Typisierung des Transplantats als Qualitätskriterium verlangt, denn es hat sich gezeigt, dass die Abstoßungsgefahr umso geringer ist, je besser Spender- und Empfänger-Gewebe zu einander passen. Daher sind typisierte Transplantate qualitativ höher einzustufen als nicht typisierte. Der Langzeiterfolg einer Hornhauttransplantation wird also wesentlich von der Typisierung der Transplantate bestimmt und von der richtigen Zusammenführung von Spenderhornhaut und Empfängerauge. Der Fachbegriff für dieses Auswahlverfahren heißt "Matching".

Hornhautbankmethoden

Zwei Methoden sind verbreitet: Mit der Kurzzeit-Konservierung z.B. in Likorol bleiben die Hornhäute zirka eine Woche transplantationsfähig. Bei der Organkultur können die Hornhäute im Brutschrank mehrere Wochen kultiviert werden. Die Qualitätssicherung der Tansplantate: Der bestmögliche Ausschluß von Infektionsrisiken, die Typisierung und die richtige Zusammenführung (Matching) erfordern vor allem Zeit. Die aber steht bei der Kurzzeit-Konservierung nur unter günstigsten Umständen und dann auch nur teilweise zur Verfügung. Die Möglichkeit, allen Transplantaten genügend Zeit zu widmen, bietet nur die Organkultur. Daher werden langfristig nur Hornhautbanken mit Organkultur eine Zukunft haben. Während fünf der 15 deutschen Hornhautbanken bisher noch keine Organkultur begonnen haben, stellten die zehn Organkulturbanken bereits 1998 über 1513 Transplantate bereit. Von Bio Implant Services, Leiden, wurden weitere 585 Hornhäute nach Deutschland geliefert, so dass 1998 mit Transplantaten aus Organkulturen fast die Hälfte des errechneten Durchschnittsbedarfs gedeckt werden konnte. Die größte europäische Hornhautbank ist in Amsterdam. Für die Zuteilung der typisierten Hornhäute aus Holland auch an deutsche Augenkliniken ist die gemeinnützige Stiftung BIS verantwortlich. Künftig soll sie diese Aufgabe auch für alle typisierten deutschen Hornhäute übernehmen.

Ziel für Deutschland: Selbstversorgung

Wenn man bedenkt, dass unsere Organkulturbanken zur Zeit mit 1.500 Transplantaten gerade mal ein Drittel des Jahresdurchschnittsbedarfs schaffen, sich ihre Leistung also verdreifachen muss, fragt man sich, ob das überhaupt möglich ist. Antwort darauf gibt eine einfache Rechnung: Jährlich sterben bei uns 860.000 Menschen. Wenn nur zehn Prozent von ihnen als potentielle Spender infrage kämen und von diesen 86.000 letztendlich nur 20 Prozent ihre Zustimmung gäben, dann blieben pro Jahr immerhin noch 17.200 Spender übrig. Dabei würden 3.300 genügen, wenn man von dem errechneten Jahresbedarf ausgeht. Die Tatsache, dass ein Spenderpotential aktivierbar wäre, das mindestens fünfmal größer ist als der durchschnittliche Bedarf, weist auf organisatorische Mängel hin und darauf, dass Aufklärungsbedarf herrscht (Nach Erfahrung der Düsseldorfer Hornhautbank beträgt dort die Zustimmungsquote 30 Prozent).

Finanzielle Hürden

Um das angestrebte Ziel, die Vollversorgung mit qualitätsgeprüften Organkultur-Hornhäuten, zu erreichen, ist eine hohe Leistungsfähigkeit der Hornhautbanken Voraussetzung. Geht man von 15 Banken aus, die über Deutschland verteilt sind, ist eine Größenordnung von 300 transplantierbaren Hornhäuten realistisch und auch wirtschaftlich vertretbar. Kostengünstiger würde eine solche Bank allerdings arbeiten, wenn sie über 450 Hornhäute verfügen könnte. Dann könnte man ihre Zahl auf zehn reduzieren. Dem Aufbau einer großen Hornhautbank und eines funktionierenden Bankensystems stehen prinzipiell keine unüberwindbaren Hindernisse im Wege. Nur die Finanzierungsfrage bleibt ein ungelöstes Problem. Die Verweigerung der notwendigen Mittel verhinderte bislang, dass die gut etablierten Grundstrukturen zu einer rundum effektiven, voll versorgenden Organisation entwickelt werden konnten. Bisher ist es so, dass der überwiegende Teil der Investitionen für die großen Hornhautbanken aus Drittmitteln stammen, z.B. von Lions oder von der Stiftung Organtransplantation oder von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen von Forschungsprojekten. Doch damit nicht genug. Auch Personalleistungen müssen auf diese Weise finanziert werden. Dabei werden die Ausgaben im wesentlichen durch unbezahlte Überstunden engagierter Ärzte minimiert. Für den geringsten Teil der Personalkosten gibt es überhaupt einen Etat.

Kassen bewerten mit zweierlei Maß

Dagegen ist die Organisation und Finanzierung für die Transplantation anderer Organe seit langem etabliert. Wann die Spitzenverbände der Kassen bereit sein werden, die Hornhauttransplantation den anderen Organtransplantationen gleich zu stellen, lässt sich nicht absehen. Die bisherige Verweigerung ist umso weniger verständlich, als kein Zweifel daran besteht, dass allein die mangelnde gesicherte Finanzierung der Grund dafür ist, dass wir in Deutschland immer noch eine beschämend schlechte Eigenversorgung mit Hornhauttransplantaten haben. Dabei sind die Krankenkassen dem gesetzlichen Auftrag verpflichtet, die Qualitätssicherung der Keratoplastik zu finanzieren, und die Qualitätssicherung der Hornhautbanken ist unbestreitbar die Basis jeglicher Qualitätssicherung auf dem gesamten Gebiet der Keratoplastik. Es ist kaum vorstellbar, dass ein tragfähiges Finanzierungskonzept weiterhin abgelehnt wird, zumal die Hornhauttransplantation im Vergleich zu anderen Organtransplantationen so wenig kostet und dabei die mit Abstand höchste Erfolgsrate hat.

Prof.Dr.med. Rainer Sundmacher
Direktor der Augenklinik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf
Tel (0211) 8117320
Fax (0211) 8116241
eMail: sundmach@uni-duesseldorf.de


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