Pressemitteilung
Medizin/Gesundheit/Augenheilkunde

AAD Pressekonferenz 2015

Dr. Peter Heinz:

Moderne Augenchirurgie: Wenn der Erfolg zum Problem wird

Grundversorgung im Spannungsfeld zwischen Bedarf und Budget

Die moderne Augenheilkunde ist geprägt von zahlreichen Innovationen in Diagnostik und Therapie. So können Augenärzte schon in ganz frühen Stadien krankhafte Veränderungen im Auge von gesunden Prozessen unterscheiden. Außerdem können sie immer besser eingreifen, um ihren Patienten bis ins hohe Alter ein gutes Sehvermögen zu erhalten.

Die demographische Entwicklung in Deutschland bringt es mit sich, dass der Behandlungs- und Betreuungsbedarf gerade in der Augenheilkunde stark zunimmt. Denn viele Augenkrankheiten treten mit zunehmendem Alter gehäuft auf, so dass der Augenarzt für die ältere Bevölkerung eine immer größere Bedeutung gewinnt. Vor allem die Katarakt (Grauer Star), das Glaukom (Grüner Star) und Netzhautkrankheiten wie die Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) bedrohen oft das Sehvermögen im Alter. Entsprechend steigt der Anteil älterer Patienten in den Praxen. Pro Jahr verzeichnen die Augenarztpraxen in Deutschland 40 Millionen Quartalsfälle – noch vor zwei Jahren waren es 31,5 Millionen. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung kommt mindestens einmal im Jahr zur ambulanten Behandlung in eine Augenarztpraxis.

Geringe Wertschätzung

Im Studium wird diesem steigenden Bedarf bisher nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Bedeutung der Augenheilkunde ist aktuell im universitären System nicht angemessen berücksichtigt. Auch im Honorarsystem des deutschen Gesundheitswesens zeigt sich die zu geringe Wertschätzung der Augenheilkunde: Augenärztliche Grundleistungen, aber auch bestimmte Operationen werden schon seit Jahrzehnten nicht angemessen honoriert.
Die Hauptdiagnosen in den Augenarztpraxen zeigen, dass vor allem Kinder und ältere Patienten augenärztlicher Behandlung bedürfen:

Glaukom 

19%
Sehfehler (ab Schulalter)      18%
Augenentzündungen oder -verletzungen:   16%
Katarakt     15%
Netzhautkrankheiten  13%
Schielen/kindliche Sehstörungen/Kopfschmerz     10%
Allgemeinerkrankungen mit Augenbeteiligung       9%

18% der Patienten – das sind 5,3 Millionen pro Jahr – erhalten vom Augenarzt eine Verordnung für eine Brille; 2% werden mit Kontaktlinsen versorgt.

1,4 bis 1,6 Millionen Augenoperationen pro Jahr

Nur bei einem kleinen Teil der Patienten greifen Augenchirurgen operativ ein. Jährlich werden zwischen 1,4 und 1,6 Millionen Augenoperationen durchgeführt. Die weitaus häufigsten Eingriffe sind dabei die Kataraktoperation und die intravitreale operative Medikamentengabe (IVOM), also die Injektion von Medikamenten in den Glasköper des Auges, die unter sterilen Bedingungen im Operationssaal erfolgt. 2013 verzeichnete die Deutschsprachige Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, Interventionelle und Refraktive Chirurgie (DGII) bei einer Umfrage 729.810 intraokulare Operationen, also Eingriffe im Augeninneren. Gut die Hälfte (52%) davon entfiel auf Kataraktoperationen. Die IVOM machte 38% der Eingriffe aus. Weitaus seltener waren chirurgische Eingriffe am Glaskörper (5%), intraokulare Operationen zur Korrektur einer Fehlsichtigkeit (3%), Glaukomoperationen (2%) und Hornhauttransplantationen (1%).

Voruntersuchungen und Nachsorge entscheidend für Operationserfolg

Sorgfältige Voruntersuchungen sowie die Betreuung nach einer Operation durch einen erfahrenen Augenarzt sind unerlässlich, um den Erfolg einer Augenoperation nicht zu gefährden. Für diese Vor- und Nachuntersuchungen sind die in den meisten Fällen älteren Patienten darauf angewiesen, einen Augenarzt in ihrer Nähe zu finden. Denn nicht selten sind bei chronischen Krankheiten wie Glaukom oder AMD über Jahre hinweg regelmäßige oftmals sehr aufwendige Kontroll- und Folgeuntersuchungen notwendig. Nur Augenärzte können hier die erforderliche Behandlungsqualität sicherstellen, nicht-ärztliche Hilfskräfte sind dazu nicht in der Lage, da ihnen die medizinische Qualifikation fehlt.

Wie werden augenärztliche Leistungen honoriert?

Augenoperationen werden jeweils mit einem festen Betrag honoriert, unabhängig davon, wie viele Eingriffe pro Jahr notwendig sind. Die Abrechnung erfolgt außerhalb der Budgets (extrabudgetär), die für die meisten ärztlichen Leistungen gelten. Nicht operative augenärztliche Leistungen werden dagegen im Rahmen des Regelleistungsvolumens (RLV) honoriert, über das die Honorierung niedergelassener Ärzte beschränkt wird. Das RLV bewirkt, dass es für jede Praxis eine Standardvergütung pro Patient gibt und zudem noch eine maximale Patientenzahl, bis zu der sie bezahlt wird. Dies Alles soll durch das neue Versorgungsstärkungsgesetz noch verschärft werden. Augenärztliche Praxen in sogenannten überversorgten Gebieten sollen, wenn ein Augenarzt sich zur Ruhe setzt, geschlossen werden. Gleichzeitig wird dem Patienten versprochen, er solle innerhalb von vier Wochen einen Termin beim Augenarzt bekommen. Das kommt der Quadratur des Kreises gleich. Hier muss sich die Politik die Frage gefallen lassen, was sie sich dabei gedacht hat.
Voruntersuchungen und Indikationsstellungen für eine Augenoperation sind durch das RLV abgedeckt. Für die postoperative Versorgung gibt es bei einigen Operationen extrabudgetäre, feste Honorare, bei anderen Eingriffen erfolgt die Nachbehandlung im Rahmen des RLV. Chronische Augenkrankheiten wie das Glaukom erfordern auch nach einer Operation eine regelmäßige Betreuung der Patienten, die meist über das RLV honoriert wird. Lediglich für Patienten, die Injektionen ins Auge erhalten (IVOM), gibt es ein – viel zu geringes – extrabudgetäres Zusatzhonorar.
Aufgrund der unsinnigen Honorarsystematik liegt ein deutliches Missverhältnis bei der Honorierung augenärztlicher Leistungen vor: Für die 1,4 bis 1,6 Millionen Operationen pro Jahr wird ein höheres Gesamthonorar bezahlt als für die 40 Millionen Quartalsfälle in der ambulanten Grundversorgung. Hier muss sich dringend etwas ändern.

Moderne Diagnostik – wertvoll, aber nicht wirtschaftlich

Ein weiteres Problem kommt hinzu: Für die Untersuchung der Augen stehen heute verschiedene High-Tech-Geräte zur Verfügung, die, ohne den Patienten zu belasten, detaillierte Einblicke ins Auge und eine Analyse der anatomischen Strukturen ermöglichen. Beispielsweise das Verfahren der Optischen Kohärenztomographie ist unerlässlich für die Kontrolluntersuchungen bei Netzhautkrankheiten wie der AMD. Diese modernen Techniken sind jedoch oft nicht Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung, das heißt, Augenärzte müssen ihren Einsatz den Patienten als individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) in Rechnung stellen. Verbraucherschützer und Gesundheitspolitiker stellen IGeL jedoch immer wieder pauschal als medizinisch nicht notwendige Leistungen in Frage und verunglimpfen sie gerne als Abzocke. Findet eine neue Technik dann endlich Eingang in die kassenärztliche Versorgung, dann sind die Honorare in der Regel so gering, dass der Einsatz dieser Technik nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, zumal diese modernen Geräte aufgrund des rasanten medizinischen Fortschrittes nur noch eine „Gebrauchsdauer“ von wenigen Jahren haben, bevor sie schon wieder veraltet sind.

Grundversorgung stärken

Für eine flächendeckende augenmedizinische Versorgung ist es notwendig, insbesondere die Grundversorgung wohnortnah durch niedergelassene Augenärzte zu sichern. Sie sind die ersten Ansprechpartner vor Ort und kooperieren mit Spezialisten für operative und nicht operative Fragestellungen. Eine klare Trennung zwischen konservativer und operativer Augenheilkunde existiert nicht. In fast allen größeren Augenarztpraxen mit mehreren Kollegen ist heute mindestens ein Augenchirurg tätig. Vielerorts arbeiten bereits mehrere Praxen in Netzwerken zusammen, um High-Tech-Geräte für die Diagnostik oder auch Operationssäle gemeinsam zu nutzen und so eine medizinisch hochwertige Versorgung der Patienten möglichst wirtschaftlich sicherzustellen. Wir Augenärzte haben also unsere Hausaufgaben gemacht.
Doch damit die wohnortnahe Betreuung der Patienten auf Dauer möglich bleibt, ist es dringend nötig, die Grundversorgung zu stärken. Sie ist das Fundament einer erfolgreichen operativen Versorgung. Das setzt voraus, dass alle augenärztlichen Leistungen entsprechend dem mit ihnen verbundenen Aufwand mit einem festen Betrag honoriert werden.

Fazit

Gemeinsam stellen die nicht operativ tätigen Augenärzte und die Augenchirurgen heute eine erfolgreiche augenmedizinische Versorgung auf sehr hohem Niveau sicher. Der Bedarf für augenmedizinische Leistungen sowohl im operativen als auch im nicht-operativen Bereich wird in Deutschland aber weiter wachsen. Eine wohnortnahe Vor- und Nachbehandlung der Patienten ist für erfolgreiche Augenoperationen unverzichtbar. Sie ist Bestandteil der augenärztlichen Grundversorgung, die heute nicht angemessen honoriert wird. Damit sie auch künftig möglich ist, muss die moderne Augenheilkunde eine ihrer Bedeutung entsprechende Wertschätzung erfahren – sowohl im Medizinstudium, der Aus- und Weiterbildung als auch durch eine adäquate Honorierung.

Dr. Peter Heinz
2. Vorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V.
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