Pressemitteilung
Medizin/Gesundheit/Augenheilkunde

AAD Pressekonferenz 2013

Prof. Dr. Bernd Bertram:

Gute Augen bis ins hohe Alter? Steigende Erwartungen an die Augenheilkunde

Der Mehrbedarf durch medizinischen Fortschritt und demografischen Wandel muss finanziert werden.

Die Augenheilkunde ist gefragt wie nie zuvor: Die Zahl der Patienten wächst, und erfreulicher Weise können Augenärzte ihnen dank neuer diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten immer besser helfen. Allerdings kann der steigende Bedarf nur gedeckt werden, wenn die notwendigen finanziellen Mittel dafür bereit stehen.

Bedeutung des Sehens für die Gesundheit

Gut sehen können trägt maßgeblich zu einer guten Lebensqualität und zur allgemeinen Gesundheit bei. Darum ist der Erhalt des guten Sehvermögens so wichtig, gerade und vor allem im Alter. Ältere Menschen stürzen nicht nur häufig; auch die Gefahr nimmt zu, dass ein solcher Sturz behandlungsbedürftige Verletzungen verursacht, die oftmals bleibende Behinderungen und möglicherweise Pflegebedürftigkeit nach sich ziehen. Zu den Risikofaktoren für Stürze im Alter zählen visuelle Defizite wie eingeschränktes Kontrastsehen, ein reduziertes Gesichtsfeld oder eine verringerte Sehschärfe. Die erfolgreiche Behandlung einer das Sehen behindernden Augenkrankheit kann dagegen das Sturz- und Frakturrisiko senken, wie eine aktuelle Studie belegt: Innerhalb eines Jahres nach Operation eines Grauen Stars (Kataraktoperation) sinkt die Gefahr einer Hüftfraktur im Vergleich zu nicht operierten Kataraktpatienten (1). Eine andere Untersuchung belegt, dass für Patienten mit einer trockenen altersbedingten Makuladegeneration (AMD) im fortgeschrittenen Stadium (geographische Atrophie) das Risiko einer Hüftfraktur elf Prozent höher ist als bei Patienten ohne AMD (2).

Augenkrankheiten im Alter sind daneben auch häufig mit Depressionen verbunden. Dazu trägt der Umstand bei, dass sich ältere Menschen wegen ihrer Sehbehinderung in ihren täglichen Aktivitäten und ihrer Mobilität zusätzlich eingeschränkt fühlen (3). Sehbehinderung und Blindheit im Alter zu vermeiden, hat somit wesentliche Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit.

Mehr Bedarf an augenmedizinischen Leistungen

"Sehen im Alter" ist ein Thema, dessen Bedeutung stetig zunimmt: Unsere Gesellschaft altert, und in den kommenden Jahren werden die bevölkerungsstarken Jahrgänge nach und nach das Rentenalter erreichen. Von 1993 bis heute ist die Zahl der ab 75-Jährigen um mehr als 42 Prozent gestiegen. Ihre Lebenserwartung hat ebenfalls zugenommen: Bei 75-Jährigen liegt sie für Frauen heute um 1,8 Jahre (17 Prozent) über dem Wert von 1993, bei Männern sogar um zwei Jahre (24 Prozent). Diese Entwicklung hat für die Augenheilkunde unmittelbare und weitreichende Folgen. Die Zahl der Menschen, die an einer der Volkskrankheiten leiden, die das Sehen bedrohen, wie Makuladegeneration, Glaukom, Katarakt und diabetische Retinopathie, steigt schon heute deutlich an und wird in Zukunft weiter zunehmen. Hinzu kommt: Gerade zur erfolgreichen Behandlung dieser Krankheiten wurden in der Augenheilkunde in den vergangenen Jahren bahnbrechende Fortschritte erreicht und zwar auf den Gebieten Diagnostik und Therapie.

Die Ophthalmologie gewinnt damit sowohl quantitativ als auch qualitativ an Bedeutung. In keinem anderen medizinischen Fachgebiet - außer der Urologie - steigt der Versorgungsbedarf mit dem Alter so stark wie in der Augenheilkunde. Wie sehr die Bedeutung der Augenheilkunde mit dem Alter zunimmt, zeigen die Erhebungen des Berufsverbands der Augenärzte (BVA) zu den Patientendaten in Augenarztpraxen aus den Jahren 1997 und 2010 : Der Anteil der ab 70-jährigen Patienten in den Augenarztpraxen nahm von 25,3 Prozent auf 40,8 Prozent zu, das ist eine Steigerung um 61 Prozent. Im gleichen Zeitraum wuchs der Anteil dieser Altersgruppe in der Gesamtbevölkerung von 11,9 Prozent auf 15,3 Prozent - das ist eine Zunahme von lediglich 29 Prozent. Dies bedeutet, dass die Zunahme der über 70-Jährigen in Augenarztpraxen in größerem Ausmaß durch medizinische Notwendigkeiten, wie bessere und aufwendigere Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten, als durch die demografische Entwicklung mit zunehmender Alterung der Bevölkerung verursacht wird.

Hoher personeller und finanzieller Aufwand

Weil diese älteren Patienten häufig an schweren Krankheiten leiden, die das Augenlicht bedrohen, ist sowohl der personelle als auch der finanzielle Aufwand für ihre Versorgung höher als bei jüngeren Patienten. Hinzu kommt, dass diagnostische Errungenschaften und neue, bessere Operationstechniken den Patienten nur dann zugute kommen, wenn die Augenheilkunde ausreichend mit den dafür notwendigen Geräten ausgestattet ist. Auch das sorgt für zusätzlichen finanziellen Bedarf.

Ältere Patienten sind zudem in der Regel nicht mehr so mobil wie junge Menschen. Muss für die Untersuchung die Pupille medikamentös erweitert werden - das ist gerade bei Netzhauterkrankungen wie der diabetischen Retinopathie der Fall - können die Patienten danach nicht selbst mit dem Auto nach Hause fahren. Gerade ältere Patienten sind daher auf wohnortnahe Angebote angewiesen.

Augenmedizinische Versorgung muss mit dem Bedarf wachsen

Die augenärztliche Versorgung muss dringend personell und finanziell erweitert werden, um den steigenden Bedarf an augenmedizinischen Leistungen zu decken. Hinweise auf diese zwingend erforderliche Anpassung gibt es jedoch leider zur Zeit nicht: Wegen der starren Budgetgrenzen im ambulanten Bereich gibt es kaum eine Verlagerung des Budgets von Fachgruppen, bei denen aufgrund des demografischen Wandels und nur geringer Innovation der finanzielle Bedarf sinkt, hin zu Fachgruppen wie der Augenheilkunde, deren innovative Leistungen in einer alternden Gesellschaft erheblich mehr benötigt werden.

Von 2005 bis 2011 hat die Zahl der berufstätigen Augenärzte in Deutschland weiter leicht zugenommen (plus 7 Prozent). Damit liegt die Augenheilkunde trotz des stark gestiegenen Versorgungsbedarfs in einem ähnlichen Bereich wie andere grundversorgende Facharztgruppen und etwas unter der Entwicklung bei allen berufstätigen Ärzten (plus 12 Prozent).

Im europäischen Vergleich ist die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit Augenärzten durchschnittlich. Es muss verhindert werden, dass die Zahl der Augenärzte pro Einwohner wegen schlechter Rahmenbedingungen geringer wird. Die Augenheilkunde als Fach muss deshalb auch in der Bundesrepublik für junge Ärzte attraktiv bleiben. Außerdem müssen die finanziellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass augenärztliche Praxen und Kliniken mehr qualifiziertes Assistenzpersonal beschäftigen können. Nur so kann im Rahmen der Delegation weiterhin eine hochwertige augenärztliche Versorgung garantiert werden.

Herausforderung für die Zukunft

Die Herausforderung für die Zukunft wird also darin bestehen, die finanziellen und personellen Ressourcen dem wachsenden Behandlungsbedarf anzupassen, ohne sich dabei von neuen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten und steigenden Ansprüchen abzukoppeln. Nur dann bleibt die frühzeitige Erkennung, Diagnostik und Therapie der häufigsten Erblindungsursachen weiterhin auf hohem Niveau möglich.

Prof. Dr. med. Bernd Bertram
1. Vorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V.
Tersteegen Str. 12
D - 40474 Düsseldorf
Tel.: (02 11) 4 30 37 00
Fax: (02 11) 4 30 37 20
E-mail: bva@augeninfo.de
www.augeninfo.de

Quellen:
(1) Tseng VL, Yu F, Lum F, Coleman Al (2012) Risk of fractures following cataract surgery in Medicare beneficiaries; JAMA 308(5): 493-501
(2) Anastasopoulos E, Yu F, Coleman Al (2006) Age-related macular degeneration is associated with an increased risk of hip fractures in the Medicare database. Am J Ophthalmol 142(6): 1081-3
(3) Popescu ML et al (2012) Explaining the relationship between three eye diseases and depressive symptoms in older adults. Investigative Ophthalmology & Visual Science 53(4): 2308-2013


Herausgeber:
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