Ohne Brillenbestimmung keine augenärztliche Diagnose
Beim Autofahren wollen wir den Bildschirm des Navigationssystems im Wageninneren genauso klar sehen wie das Verkehrsschild etliche Meter vor uns.
Wir müssen wahrnehmen, was von der Seite herannaht und wollen uns auch im Dämmerlicht gut zurechtfinden.
Beim Kauf von Lebensmitteln hilft es, auch die in winzigen Lettern gedruckte Liste der Zutaten lesen zu können.
Und das Display des Smartphones quillt geradezu über vor optischen Informationen.
Oft kneifen schon junge Menschen die Augen zusammen und fragen sich „Was steht da?“ Wer bis zum Alter von 45 Jahren noch keine Brille gebraucht hat, merkt spätestens jetzt, wenn die Alterssichtigkeit (Presbyopie) einsetzt: Ohne Sehhilfe geht nichts mehr.
Doch nicht jede Sehverschlechterung lässt sich mit einer Brille beheben.
Nicht selten kommt ein Patient in der Annahme „meine Brille ist wohl zu schwach“ zum Augenarzt.
Bei der Untersuchung stellt sich dann aber heraus, dass die Ursache des schlechten Sehens gar keine herkömmliche Fehlsichtigkeit ist und dass eine neue Brille dem Patienten deshalb wenig helfen würde.
Was muss der Augenarzt untersuchen?
Der Augenarzt wird den Patienten bitten, ihm genau zu schildern, welche Sehprobleme auftreten und oft noch genauer nachfragen (Anamnese).
Dann kommt die Feststellung der „Refraktion“, also der Brechkraft des Auges.
Sie wird definiert als Abweichung des individuellen Auges von der idealen Optik, gemessen als Brillenwert.
Der erfahrene Augenarzt kann dank raffinierter Methoden das Sehvermögen und die Optik des Auges auch ohne aufwändige Technik beurteilen.
Diese Refraktionsbestimmung ist die Basis des augenärztlichen Handelns – denn nur so kann beurteilt werden, was das Auge (noch) leisten kann.
Alle weiteren diagnostischen und therapeutischen Schritte bauen auf ihr auf.
Erfahrung und Rafinesse
Ein gängiges Verfahren zur Bestimmung der objektiven Refraktion ist die Skiaskopie.
Sie nutzt die „Foucaultsche Schneidenmethode“ – ein Verfahren, das zur Beurteilung der Genauigkeit astronomischer Spiegel erfunden wurde.
Bei aller scheinbaren Einfachheit ist dieses Verfahren höchst raffiniert und genau.
Alternativ kann auch mit einem Computer-gestützten automatischen Refraktometer die Brechkraft gemessen werden, diese Methode ist ähnlich genau wie die Skiaskopie.
Die Ergebnisse können durch die Akkommodation (die Anpassung der Brechkraft des Auges auf Nähe oder Ferne durch Verformung der Linse) verfälscht werden.
Vor der Untersuchung ist es deshalb oft sinnvoll, mit Augentropfen den Ziliarmuskel zu lähmen und die Akkommodation so auszuschalten.
Dieser Vorgang heißt in der Fachsprache Zykloplegie.
Die Lähmung des Augenmuskels hält einige Stunden an, so lange sieht der Betroffene unscharf.
Weil menschliche Augen etwas Lebendiges sind, haben sie „Aberrationen“ – die Brechkraft ist nicht an allen Stellen innerhalb der Pupille genau gleich.
Deswegen ist ein subjektiver Abgleich nötig.
Hierbei wird für jeden Patienten individuell festgestellt, mit welcher der vielen innerhalb seiner Pupille möglichen Brechkräfte er tatsächlich sieht.
Dieser Abgleich erfolgt in einem sehr ausgeklügelten Optimierungsvorgang, bei dem der Patient verschiedene Seheindrücke vergleicht.
Die so ermittelte subjektive Refraktion ist die Grundlage einer Brillenverordnung.
Wichtiger Bestandteil augenärztlicher Diagnostik
Die subjektive Refraktion ist aber nicht nur Voraussetzung für eine Brillenverordnung, sondern ein entscheidender Bestandteil der augenärztlichen Diagnostik.
Denn nur mit der optimierten Refraktion kann die Funktion – zum Beispiel die Sehschärfe – des Auges richtig beurteilt und mit dem Organbefund abgeglichen werden.
Hierzu einige Beispiele:
„Ich sehe schlecht“
Viele Patienten klagen ganz allgemein über „schlechtes Sehen“ und meinen damit, dass sie nicht scharf sehen.
Man muss unbedingt genauer nachfragen.
Heißt das: „Ich habe Leseprobleme“? Dann kommen viele Augenerkrankungen in Frage – zum Beispiel ein Grauer Star (Katarakt), eine Schädigung der Netzhaut bei Diabetes, Altersabhängige Makuladegeneration (AMD), eine Schädigung der Sehstrahlung im Gehirn bei Tumoren oder Schlaganfall.
Oder es fehlt die richtige Nahbrille, vielleicht auch eine Brille für besondere Sehaufgaben wie Dauer-Lesen, die Arbeit am Computer oder für besondere Naharbeits-Situationen, etwa als Automechaniker mit Naharbeit über Kopf.
Deswegen wird der Augenarzt an all diese Möglichkeiten denken und entsprechende Untersuchungen durchführen.
Auch wenn die Diagnose gestellt ist, spielt die Refraktionsbestimmung beim weiteren Vorgehen eine wichtige Rolle.
So basiert die Entscheidung, ob und wann ein Grauer Star nun wirklich operiert wird, mit auf der aktuellen Refraktion des Patienten.
Die Behandlung einer feuchten Altersabhängigen Makuladegeneration mit Medikamentengaben ins Augeninnere und deren Verlaufskontrollen basiert ebenfalls auf den mit optimaler Refraktion gemessenen Sehschärfewerten.
Nicht zuletzt ist es schon bei kleinen Kindern sehr wichtig, die Refraktion zu überprüfen.
Denn nur, wenn auf ihrer Netzhaut praktisch vom „ersten Augenblick“ an ein scharfes Bild entsteht, können sie richtig sehen lernen.
Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, muss die Abbildungsschärfe korrigiert werden.
Daher kann es sein, dass schon Babys eine Brille brauchen.
Da beim kindlichen Auge die Akkommodationsfähigkeit noch besonders stark ausgeprägt ist, muss sie durch die Zykloplegie vor der Untersuchung ausgeschaltet werden.
Für Kinder ist die oben genannte Skiaskopie der „Goldstandard“ für die Untersuchung.
„Ich sehe doppelt“
Doppelbilder sind ein Symptom, das bei einer Störung der Augenmuskeln infolge einer Muskelerkrankung (Myasthenie, Schilddrüsenerkrankung) auftreten kann oder bei Erkrankung der Hirnnerven, welche die Augenmuskeln versorgen.
Zu diesen pathologischen Veränderungen zählen Entzündungen, Tumore und Durchblutungsstörungen.
Doppelbilder können aber auch durch Fehler in der Optik des Auges entstehen, wenn diese durch die vorhandene Brille nicht korrekt ausgeglichen werden.
„Ich werde so leicht geblendet“
Blendempfindlichkeit ist ein weiteres Problem, das viele Ursachen haben kann, zum Beispiel eine Katarakt, eine Entzündung im Auge (Iritis), Albinismus oder eine der seltenen degenerativen Netzhauterkrankungen.
Es kann aber auch eine nicht perfekt korrigierte Kurzsichtigkeit sein, die das Problem verursacht – und nur in diesem letzten Fall ist eine neue Brille die Lösung.
Grundlage der Therapie bei Kurzsichtigkeit
Von Kurzsichtigkeit (Myopie) sind immer mehr Menschen betroffen: Gegenstände in der Nähe werden besser erkannt als weit entfernte Objekte.
Meist liegt das daran, dass das myope Auge „zu lang“ ist, dann werden aus der Ferne kommende Lichtstrahlen nicht auf der Netzhaut gebündelt sondern schon davor – es entsteht ein unscharfes Bild.
Neben genetischen Ursachen spielt während der Wachstumsphase auch Naharbeit wie ausgiebiges Lesen oder lang andauernde Beschäftigung mit dem Computer bei der Entstehung der Kurzsichtigkeit eine Rolle.
Sind schon Kinder kurzsichtig, ist die sorgfältige Refraktionsbestimmung die Grundlage für die Therapie: Nur der exakte Ausgleich der Fehlsichtigkeit kann dem Fortschreiten der Myopie entgegenwirken und ist für Sicherheit und Schulerfolg unerlässlich.
Viele junge Erwachsene möchten auf Brille oder Kontaktlinsen verzichten und entscheiden sich deshalb für die Refraktive Chirurgie.
Als Ausgangsbasis hierfür ist eine perfekte Refraktionsbestimmung absolute Voraussetzung.
Das individuelle Potenzial seiner Augen nutzen
Eine Sehschärfe von 100 Prozent, die landläufig als normale Sehkraft angesehen wird, ist nicht gleichzusetzen mit perfektem Sehen.
Mit der richtigen Sehhilfe können junge Erwachsene durchaus Sehschärfen von bis zu 160 oder sogar 200 Prozent erreichen.
Spätestens ab dem Alter von etwa 45 Jahren, wenn die Fähigkeit zur Akkommodation nachlässt und die Alterssichtigkeit (Presbyopie) einsetzt, benötigen alle Menschen eine Brille.
In einer Gesellschaft, in der die Menschen immer älter werden und immer länger aktiv bleiben, spielt gutes Sehen bis ins hohe Alter eine besonders große Rolle.
Die steigende Lebenserwartung lässt erwarten, dass wir fast unser halbes Leben lang presbyop sind.
Und die absehbare Verlängerung der Lebensarbeitszeit bringt es mit sich, dass wir mehr als ein Drittel dieser Zeit als Presbyope arbeiten werden.
Eine optimal korrigierende Sehhilfe fördert die Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter.
Auch hier gilt: Objektive Untersuchung der Refraktion und perfekter subjektiver Abgleich führen zu optimaler Brillenkorrektion.
Dabei können Nahbrillen an die verschiedensten Tätigkeiten optimal individuell angepasst werden – hier ist die Beratung durch den Augenarzt sehr wichtig, denn er kennt nach der Untersuchung des Auges dessen Potenzial und kann so den besten Rat für eine den individuellen Sehanforderungen optimal entsprechende Brille geben.
Fazit
Unscharfes Sehen kann auf eine Augenerkrankung hinweisen oder auch Folge einer fehlenden oder falschen Brille sein.
Nach der Augenuntersuchung kennt der Augenarzt das individuelle Potenzial der Augen.
Er kann dann die den persönlichen Sehanforderungen am besten entsprechenden Brillen empfehlen.
Um perfekt zu sehen, können auch Menschen mit normaler Sehkraft und gesunden Augen von einer Feinkorrektion mit Brille oder Kontaktlinsen profitieren.
Prof. Dr. med. Dieter Friedburg
Carl-Schurz-Str. 9
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Tel.: (0 21 51) 75 39 64
E-Mail: profdrdieter.friedburg@nexgo.de
Abbildung 1: Nachts im Straßenverkehr unterwegs mit voller Sehkraft
Abbildung 2: Nachts im Straßenverkehr unterwegs mit einer leichten, nicht korrigierten Kurzsichtigkeit beziehungsweise mit einer nicht ausreichend korrigierten Kurzsichtigkeit
Abbildung 3: Nachts im Straßenverkehr unterwegs mit einer nicht korrigierten oder stark unterkorrigierten Kurzsichtigkeit.
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