Pressemitteilung
Medizin/Gesundheit/Augenheilkunde

AAD Pressekonferenz 2009

Press:

Das „ZunakoChi-Syndrom“

Wenn die anatomischen Feinheiten rund um das Auge missachtet werden

Die Augen sind der Spiegel der Seele; auf schöne Augen legen viele Menschen besonderen Wert. Vielfach lassen sie mit operativen Mitteln nachhelfen, um ihr Erscheinungsbild zu verbessern.
Die kosmetische Chirurgie im Bereich der Augen setzt jedoch eine genaue Kenntnis der anatomischen Verhältnisse voraus. Gerade in jüngster Zeit werden auf Lidchirurgie spezialisierte Augenchirurgen häufig zu Rate gezogen, wenn sich nach kosmetischen Eingriffen in der Region rund um das Auge Komplikationen ergeben. Für diese Fälle ist der Begriff „ZunakoChi-Syndrom“ gebräuchlich geworden – der den „Zustand nach kosmetischer Chirurgie“ beschreibt. Solche unerwünschten, zum Teil das Sehvermögen bedrohenden Nachwirkungen von Operationen lassen sich von vorneherein vermeiden, wenn die feinen anatomischen Strukturen insbesondere des Ober- und des Unterlids berücksichtigt werden.

Die Funktionen der Lider

Die Augenlider haben zwei wesentliche Funktionen für die Gesundheit der Augen: Sie schützen den Augapfel und sie sorgen mit jedem Lidschlag für eine ausreichende Benetzung von Hornhaut und Bindehaut mit Tränenflüssigkeit. Insbesondere die Hornhaut, die nicht mit Blutgefäßen versorgt wird, erhält Nährstoffe über die Tränenflüssigkeit. Ist diese Versorgung nicht sichergestellt, dann entstehen schmerzhafte Geschwüre in der Hornhaut, die auch die Sehfähigkeit beeinträchtigen und rasch behandelt werden müssen. Ober- und Unterlid tragen gemeinsam dazu bei, diese Aufgaben zu erfüllen. Der Anteil des Oberlides, das beim Lidschluss die Tränenflüssigkeit verteilt, ist dabei größer, entsprechend komplex ist sein Aufbau.

Die Anatomie des Oberlids

Das Oberlid besteht aus zwei Schichten oder Lamellen. Zur vorderen Lamelle gehören die Haut und ein Muskel (M. orbicularis oculi), der das Auge ringförmig umgreift und für den Lidschluss sorgt. Zur hinteren Lamelle gehören ein weiterer Muskel (M. levator palpebrae, Heber des Augenlids), eine Bindegewebsplatte mit Lidband (Tarsus-Lidband-Apparat), die für die Stabilität des Oberlids sehr wichtig ist, und die Bindehaut. Die Lidhaut ist oberhalb der Lidkante sehr fein und wird nach oben hin dicker. Sie hat sehr festen Kontakt zu dem darunter liegenden Muskel. Zur Stirn hin ist – individuell sehr verschieden – auch Fettgewebe zu finden. Unter dem Lid liegt an der Außenseite des Auges die Tränendrüse.

Die Anatomie des Unterlids

Auch das Unterlid besteht aus einer äußeren Lamelle mit der Haut und dem ringförmigen Muskel und einer inneren Lamelle mit dem Tarsus-Lidband-Apparat. Im Unterschied zum Oberlid findet sich im Unterlidbereich Fettgewebe, das in drei Polster unterteilt ist. Im inneren Lidwinkel ist außerdem an der Lidkante das untere Tränenpünktchen zu sehen. Es ist der Ausgang der Tränenkanäle, die unter dem Lidband des Unterlids liegen und von diesem geschützt werden.
Damit nach einem kosmetischen Eingriff sowohl die Funktion der Lider erhalten bleibt als auch ein ansprechendes Ergebnis erzielt wird, muss der Chirurg all diese anatomischen Gegebenheiten berücksichtigen. Allzu häufig passiert es jedoch, dass beispielsweise eine Ober- oder Unterlidstraffung (Blepharoplastik) als schlichtes „Haut wegschneiden“ missverstanden wird – zum Teil mit fatalen Ergebnissen.

Komplikationen nach kosmetischen Eingriffen

Die Art und Ursachen der Komplikationen sind vielfältig und in jedem individuellen Fall muss sorgfältig geprüft werden, was „schief gelaufen“ ist. Häufig zu beobachten sind die folgenden unerwünschten Folgen:

Hornhautgeschwür: Können die Patienten nach einem Eingriff das Auge nicht mehr komplett schließen, dann ist die Schutz- und Scheibenwischerfunktion der Lider nicht mehr gewährleistet. Das Sehvermögen der Patienten ist gefährdet. Ein solcher Lagophthalmus genannter ungenügender Lidschluss entsteht, wenn am Oberlid zu viel Haut entfernt wird. Je nachdem, wie ausgeprägt der Lagophthalmus ist, entsteht innerhalb weniger Tage ein Hornhautgeschwür (Ulcus). Tritt dies auf, dann muss sofort eine weitere Operation erfolgen. Denn unbehandelt kann ein Loch in der Hornhaut entstehen oder das Geschwür heilt unter Bildung einer Narbe ab.

Verletzung des Augapfels: Wird mit einem der Operationsinstrumente der Augapfel verletzt, dann droht eine Entzündung des Augeninneren – im schlimmsten Falle führt sie zum Verlust des Augapfels. Auch das Einsetzen einer Schutzschale bietet keine Garantie, dass das Auge nicht verletzt wird, denn diese Schutzlinsen können verrutschen.

Blutung mit Kompression des Sehnervs: Während der Operation kann es zu Blutungen kommen. Fließt das Blut entlang der Augenmuskeln hinter den Augapfel, dann kann eine Kompression des Sehnervs die Folge sein. Wird dies nicht rechtzeitig bemerkt und besteht sie über mehr als sechs Stunden, ohne dass der Sehnerv entlastet wird, dann droht die Erblindung des Auges. Alarmzeichen für diese Komplikation sind eine weite Pupille, die nicht auf Licht reagiert, sowie das Heraustreten des Augapfels. Innerhalb von zwei Stunden nach der Operation müssen Sehvermögen und Pupillenreaktion deshalb geprüft werden. Darüber hinaus müssen die Patienten über diese Symptome aufgeklärt werden. Denn die Eingriffe erfolgen meist ambulant, die Blutung kann auch dann noch auftreten, wenn der Patient schon wieder zu Hause ist.

Lidsenkung (Ptosis): Einige Patienten können nach einer Oberlidstraffung das Lid nicht mehr heben. Das liegt oft daran, dass der Chirurg bei dem Versuch, Fettgewebe zu entfernen, den Ansatz des Lidheber-Muskels durchtrennt hat.

Fehlende Lidfurche: Die Lidfurche liegt bei Frauen etwa sieben bis neun Millimeter oberhalb der Lidkante, bei Männern ein bis zwei Millimeter tiefer. Diese Lidfurche muss bei der Blepharoplastik berücksichtigt werden, ansonsten ist weder die Funktion des Lides sichergestellt noch der gewünschte kosmetische Effekt zu erzielen.

Trockenes Auge: Wird in dem Bemühen, Fettgewebe zu entfernen die Tränendrüse verletzt oder versehentlich entfernt, dann fehlt dem Auge anschließend die wichtige Tränenflüssigkeit.

Asymmetrie: Kein Gesicht ist absolut symmetrisch. Vor der Operation bestehende Asymmetrien sollten in die Planung des Eingriffs einbezogen werden. Dabei ist vor allem auf die Platzierung der Lidfurche zu achten und darauf, in welchem Umfang Haut und Fettgewebe entfernt werden.

Fehlstellungen des Unterlids: Wird bei der Straffung des Unterlids zu viel Haut entfernt, kann es zum Auswärtskippen des Lides kommen (Ektropium). Vor allem bei älteren Patienten sollte der Chirurg berücksichtigen, dass es am Tarsus-Lidband-Apparat alterungsbedingt zu einer Lockerung kommt. Ob eine solche Instabilität vorliegt, sollte vor dem Eingriff geklärt werden, gegebenenfalls muss das Lidband bei der Operation besonders fixiert werden. Unnötige Nähte können nach einer Unterlidstraffung dazu führen, dass sich das Unterlid nach unten zurückzieht. Diese Retraktion kann auch Folge einer übermäßigen Narbenbildung nach der Entfernung von Fettgewebe sein. Sehr selten ist auch das Einwärtskippen der Lidkante (Entropium) zu beobachten. Diese Komplikation ist in der Regel Folge einer nicht sachgemäßen Schnittführung oder einer unnötigen Bindehautnaht. Das Einwärtskippen hat zur Folge, dass die Wimpern schmerzhaft auf der Hornhaut scheuern, die dadurch verletzt werden kann.

Abrundung des äußeren Lidwinkels: Werden Ober- und Unterlid zugleich gestrafft, kann die erhöhte Hautspannung am äußeren Lidwinkel eine kosmetisch unschöne Folge nach sich ziehen: Der normalerweise spitze Winkel wird runder. Auch hier sind ältere Patienten mit gelockertem Tarsus-Lidband-Apparat häufiger betroffen.

Fadengranulom: Wird zu dickes Nahtmaterial verwandt, das sich nicht mit der Zeit im Körper auflöst, klagen die Patienten nach dem Eingriff mitunter über Schmerzen. Dann lässt sich häufig ein Fadengranulom erkennen – der Körper erkennt das Nahtmaterial als Fremdkörper und reagiert mit einer knotenartigen Gewebeneubildung. In einigen Fällen durchstößt das Fadenende auch die Haut. Dünne Fäden und Nahtmaterial, das vom Körper resorbiert werden kann, sind deshalb zu empfehlen.

Infektionen und Pigmentstörungen nach Lasereinsatz: Im Zuge des Skin-Resurfacing (Hautglättung) werden gerne CO2- oder Erbium:YAG-Laser eingesetzt. Hierbei ist zu beachten, dass die Wundheilung bis zu sechs Monate lang dauert. Im Vergleich zur herkömmlichen Lidstraffung ist eine deutlich höhere Infektionsrate zu beobachten. Außerdem sind Pigmentstörungen der Haut (Hypo- oder Hyperpigmentierung) nicht auszuschließen.

Was tun, wenn Komplikationen eintreten?

Kommen Patienten mit einem solchen ZunakoChi-Syndrum zu lidchirurgisch spezialisierten Augenchirurgen, stellt sich die Frage: Was ist zu tun? Der Arzt muss entscheiden, ob er die Komplikation schnell mit einem erneuten Eingriff in den Griff zu bekommen versucht oder ob er dem Patienten rät, abzuwarten und auf natürliche Heilungsprozesse zu vertrauen. Eine Frührevision ist immer dann angezeigt, wenn das Sehvermögen des Patienten bedroht ist. Das ist der Fall bei Blutungen im Bereich der Augenhöhle, die den Sehnerv gefährden, bei Verletzungen des Augapfels und bei einem Hornhautgeschwür. Ist das visuelle System nicht unmittelbar bedroht, wird der Augenarzt den – verständlicherweise beunruhigten und betroffenen Patienten – beruhigen und ihm raten, abzuwarten. Manche Lidfehlstellungen wie beispielsweise eine Unterlidretraktion können sich im Laufe eines halben Jahres deutlich bessern oder ganz zurückbilden.

Botulinumtoxin in der Augenheilkunde

Mit großem Erfolg wird seit einigen Jahren Botulinumtoxin eingesetzt, um Falten zu glätten. Es war der Augenarzt Dr. Alan Scott, der diesen Wirkstoff erstmals therapeutisch nutzte: 1980 wurde er erstmals als Alternative zur Schieloperation getestet, kurze Zeit später bewährte er sich als Mittel zur Behandlung des Lidkrampfs (Blepharospasmus).
Botulinumtoxin ist ein Proteinkomplex, der in der Natur vom Bakterium Clostridium botulinum produziert wird. Vor allem der Serotyp A (Botulinumtoxin A) wird für medizinische Zwecke eingesetzt. In den Muskel gespritzt, blockiert der Stoff die Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel – eine Wirkung, die nach etwa 72 Stunden einsetzt und etwa drei Monate lang anhält.
Im Bereich der Augen lassen sich insbesondere „Zornesfalten“ (senkrechte Falten auf der Stirn), horizontale Stirnfalten und „Krähenfüße“ (Fältchen am äußeren Lidwinkel) im Rahmen kosmetischer Behandlungen erfolgreich glätten. Neben der Korrektur mimischer Gesichtsfalten hilft Botulinumtoxin A auch, eine Reihe krankhafter Störungen zu behandeln. Hauptanwendungsgebiet ist hier neben dem Lidkrampf das gezielte Herbeiführen einer vorübergehenden Lidlähmung. Dies kann insbesondere bei Hornhautschäden sinnvoll sein, um das Auge zu schützen.
Der Einsatz von Botulinumtoxin A im Bereich der Augen setzt Erfahrung und eine genaue Kenntnis der anatomischen Verhältnisse voraus. Denn der Wirkstoff muss genau dosiert und gezielt injiziert werden, damit er seine Wirkung nur dort entfaltet, wo es erwünscht ist. Eine zu hohe Dosis oder die Ausbreitung außerhalb des zu behandelnden Muskels kann zu unerwünschten Lähmungserscheinungen führen. Diese Nebenwirkungen sind zwar vorübergehender Natur, doch gerade in der sensiblen Augenpartie sind Einschränkungen des Minenspiels möglichst zu vermeiden. Kleine Einzeldosen, mehrere, sorgfältig ausgewählte Injektionsstellen und dünne Kanülen tragen dazu bei, dass Botulinumtoxin A wirklich nur dort wirkt, wo es auch wirken soll.

Chefarzt Dr. Uwe Peter Press
Zentrum für Augenheilkunde
Klinik für plastisch rekonstruktive Lid-, Orbita- und Tränenwegschirurgie
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier
Nordallee 1
D-54292 Trier
Telefon (0651) 208 2701
Telefax (0651) 208 2719
augenabteilung@bk-trier.de

Abb. 1
Abb. 1:
Eine solche Fehlstellung der Unterlider belastet die Patienten verständlicher Weise sehr. Doch häufig bildet sie sich im Laufe der Zeit von selbst zurück.

Abb. 2
Abb. 2:
Feine Strukturen sind kennzeichnend für die Anatomie der Lider.
Quelle: Press, U. P, Klinische Monatsblätter 2007/7, S. R78, Georg Thieme Verlag

Abb. 3
Abb. 3:
Anatomie des Oberlides
Quelle: Press, U. P, Klinische Monatsblätter 2007/7, S. R78, Georg Thieme Verlag


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