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Leitlinien von BVA und DOG

Leitlinie Nr. 27

Paretisches Schielen (1)

Definition

Diese Leitlinie befaßt sich mit allen durch ein Bewegungsdefizit eines oder beider Augen entstandenen Schielformen.

Dazu gehören:

  • supranukleäre Paresen
  • neurogene Paresen
  • synaptogene Paresen
  • myogene Bewegungsstörungen
  • mechanisch bedingte Bewegungsstörungen

Ziel

  • Abgrenzung paretischer von nichtparetischen Bewegungsstörungen (z.B. dekompensierende Obliquusstörungen)
  • topische Diagnostik der Läsion
  • ätiologische Diagnose oder Differentialdiagnose (ggf. fachübergreifend)
  • Durchführung/Einleitung einer ggf. fachübergreifenden Therapie
  • Linderung oder Beseitigung der Beschwerden, insbesondere Wiederherstellung eines diplopiefreien Blickfeldes unter möglichst geringer Kopffehlhaltung

Vorgehen

Notwendig:

  • Anamnese bei Folgeuntersuchung u.a. zu Verlauf und Änderungen der okulären und/oder allgemeinen Symptome
  • Inspektion der Augen und der Lider
  • Prüfung von Stellung und Beweglichkeit der Augen und Lider
  • Prüfung auf afferente/efferente Pupillenstörung
  • Sehschärfenprüfung ggf. mit bekannter Korrektur (falls erforderlich Ausmessen vorhandener Sehhilfen)
  • Untersuchung auf Spontandiplopie in Ferne und Nähe
  • Untersuchung des zentralen Augenhintergrundes
  • Dokumentation
  • Befundbesprechung und Beratung

Im Einzelfall erforderlich:

  • Anamnese bei Erstuntersuchung
    • aktuell
      • Art und Beginn der Beschwerden (z.B. Doppelbilder) ?
      • Auslöser, Prodrome ?
      • Verlauf (akut, schleichend, rezidivierend, ermüdungsabhängig) ?
      • Begleitsymptome ?
    • ophthalmologisch
      • Sehminderung ?
      • vorhandene Sehhilfen ?
      • Schielen ?
      • Kopffehlhaltung (alte Fotos) ?
      • vorhergehende Verletzungen oder Eingriffe an den Augen ?
    • allgemein
      • Organerkrankungen (z.B. Tumorleiden) ?
      • Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus) ?
      • Schilddrüsenerkrankung ?
      • Hypertonie ?
      • neurologische Erkrankungen ?
      • Medikamente ?
      • Trauma ?
  • Messung der Schielwinkel unter Fusionstrennung in mindestens 9 Blickrichtungen
  • weitere Untersuchungen der altersentsprechenden Basisdiagnostik (z.B. bei durch den Leitbefund nicht zu erklärender Visusminderung oder bei Patienten, die sich erstmals oder nach einem Intervall von über einem Jahr nach der letzten augenärztlichen Basisdiagnostik vorstellen, siehe Leitlinien Nr. 2 - 4)
  • Perimetrie
  • Beobachtung der Blickzielsakkaden
  • Beobachtung der Folgebewegungen
  • Prüfung des optokinetischen Reflexes
  • Prüfung des vestibulookulären Reflexes
  • Untersuchung auf orbitale Symptome, ggf. Exophthalmometrie und/oder Ultraschalluntersuchung (siehe Leitlinie Nr. 28)
  • Traktionstest mit Pinzette in Oberflächenanästhesie
  • Untersuchung auf klinische myasthenische Zeichen (Simpson-Test), ggf. Tensilon-Test (unter Beachtung des Risikopotentials), Test auf Azetylcholin-Rezeptor-Antikörper
  • Untersuchung auf supranukleäre Symptomatik
  • Kommunikation mit Hausarzt / zuständigem Facharzt
  • ggf. Überweisung zur weiterführenden fachübergreifenden Diagnostik/Therapie

Therapie

  • bei Auftreten im Amblyopie-gefährdeten Alter siehe Leitlinien Nr. 26 a und 26 b
  • kausal:
    • in der Regel nur multidisziplinär in Abhängigkeit von Diagnose und Befund
  • symptomatisch:
    • Okklusion eines Auges
    • Ausgleich oder Verminderung des Schielwinkels durch Prismen
    • im Einzelfall topische Injektion von Botulinus-Toxin A
  • operativ:
    • in Abhängigkeit von Befund, Verlauf und Prognose in der Regel nicht eher als 12 Monate nach Auftreten der Parese.

Ambulant/Stationär

  • augenärztliche Diagnostik und symptomatische Therapie ambulant
  • operative Therapie ambulant oder stationär

Kontrollintervalle

  • In Abhängigkeit von Befund, Diagnose und angewandten Verfahren

(1) Kaufmann, H.: "Strabismus", Enke Verlag, Stuttgart, 1995, 2. Auflage


Letzte Durchsicht und Aktualisierung: 20.12.1998


Leitlinien sind Orientierungshilfen im Sinne von "Handlungs- und Entscheidungskorridoren", von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss. Sie beschreiben, was Augenärzte für eine angemessene Patientenversorgung in der Praxis für geboten halten. Dies entspricht in vielen Fällen nicht dem Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Die augenärztliche Basisdiagnostik wird aus Vorsorgegründen empfohlen. Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland gewährt derzeit keinen primären Anspruch auf augenärztliche Vorsorge von Sehstörungen und Erkrankungen des Sehorgans (siehe Präambel).

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